piwik no script img

Streit der Woche"Das kann niemand verantworten"

Die Gewalt der syrischen Regierung gegen demonstrierende Zivilisten nimmt kein Ende. Die politische Aktivistin Khawla Dunia fordert eine Flugverbotszone.

Fordern militärische Hilfe: Demonstranten in Syrien. Bild: Amateurfoto/AP

Einen Tag, nachdem das Assad-Regime den Friedensplänen der Arabischen Liga zugestimmt hat, wurden in Syrien erneut Demonstranten erschossen.

Staatspräsident Baschar al-Assad bestätigte damit den Vorwurf der Opposition, mit einen Scheinfrieden nur auf Zeit zu spielen. Die brutale Unterdrückung der Proteste hat mittlerweile über 3.000 Menschen das Leben gekostet.

Auch wenn der Ruf nach Unterstützung von außen immer lauter wird, warnt Gernot Erler vor unabsehbaren Konsequenzen im Falle eines militärischen Eingriffs der Nato. "Ein Flächenbrand wäre nicht auszuschließen", schreibt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion in einem Gastbeitrag für das Wochenendmagazin der taz. "Syrien ist nicht nur ein enger Verbündeter des Iran. Das Land ist auch Hauptunterstützer der Hisbollah, die vermutlich nur auf ein Signal aus Damaskus warten würde, um im Libanon an der Grenze zu Israel eine zweite Front aufzumachen."

Die möglicherweise schwerwiegenden Folgen in der Region könne niemand verantworten, schreibt Erler weiter. Stattdessen müsse man den wirtschaftlichen und politischen Druck auf das Assad-Regime weiter ausbauen. Auch Maissun Melhelm, syrische Journalistin bei der Deutschen Welle, spricht sich gegenüber der taz gegen eine militärische Unterstützung aus. "Eine Intervention könnte den ganzen Nahen Osten in Brand setzen“, zitiert Melhelm den syrischen Staatschef. Assad werde sich „der Unterstützung seiner Anhänger bedienen."

Khawla Dunia hingegen, eine politische Aktivistin, die die Demokratiebewegung derzeit aus dem syrischen Untergrund vorantreibt, hält eine Flugverbotszone über Syrien für wichtig. "Einerseits würde sie weiteren Truppeneinheiten das Desertieren ermöglichen", so die 43-Jährige in ihrem Beitrag zum „Streit der Woche“. Andererseits würde sie zum Schutz der Deserteure innerhalb der Zivilbevölkerung beitragen.

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 5./6. November 2011. Am Kiosk, eKiosk oder im Briefkasten via www.taz.de/we. Und für Fans und Freunde:facebook.com/sonntaz.

Weil auch nach Monaten der Gewalt kein Frieden in Sicht ist, müsse die Nato auch in Syrien eingreifen, meint der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad. "Einen Krieg in Syrien will keiner, doch der Krieg ist längst da und kostet täglich mehrere unschuldige Menschen das Leben", stellt der Deutsch-Ägypter in der taz klar. Anders als in Libyen solle diesmal allerdings die Türkei bei einem Nato-Einsatz in Syrien federführend sein und den Schutz der Minderheiten für die Zeit nach Assad sicherstellen.

Außerdem diskutieren im "Streit der Woche" der aktuellen sonntaz Nahostexperte Loay Mudhoon und ein Menschenrechtsaktivist, der die Zustände unter der Regierung in Damaskus vor Ort miterlebte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Nicht lange und sie wird sich wünschen, sie hätte sich die "Flugverbotszone" nie gewünscht.

  • DJ
    Dirk Jäckel

    Hamed Abdel-Samad hat die Problematik angesprochen. Auch ich befürchte, dass es nach einem gewaltsamen Umsturz in Syrien zu Massakern an Alawiten (Assads Religionsgemeinschaft), möglicherweise auch an Christen (immerhin 10-15% der Bevölkerung) kommt. Ich bezweifle sehr, dass die Nato im Stande wäre, dies zu verhindern (die USA konnten es im Irak jedenfalls nicht). So bitter es ist: Ich hoffe, dass Assad noch einige Zeit die Zügel in der Hand behält und durch Druck eine allmähliche Demokratisierung stattfindet, in der sunnitisch-islamistische Strömungen nicht das Oberwasser gewinnen. Sonst wäre es das Ende des einzigen säkularen arabischen Staates.

  • HK
    Henner Kroeper

    Das kann niemand verantworten,

    meint die politische Aktivistin Khawla Dunia. Sie fordert eine Flugverbotszone.

    Erstens, das gilt auch für Syrien: Agents provocateur sind die gefährlichste Waffe.

    und bevor Frau Dunia, wer immer sie auch ist und wer immer sie bezahlt, für die Flugverbotszone über Libyen eintritt, empfehle ich ihr, eine Gruppenreise ins "Befreite Libyen" zumachen.

  • HS
    Hari Seldon

    Zitat aus dem Artikel: "Anders als in Libyen solle diesmal allerdings die Türkei bei einem Nato-Einsatz in Syrien federführend sein und den Schutz der Minderheiten für die Zeit nach Assad sicherstellen." Bitte, wie ist die Situation (zum Beispiel die Situation der Kurden) der Minderheiten in der Türkei? Eine andere wichtige Frage: Was sollte die NATO in Syrien suchen? Laut NATO-Charta ist NATO ein Verteidigungsbündnis für die "nordatlantischen Staaten". Bitte, wo liegt Syrien (ganz definitiv nicht in Europe und nicht im nordatlantischen Raum), and wann wollte Syrien die NATO-Mitgliedstaaten bedrohen oder angreifen? Die NATO ist---mindestens laut NATO-Charta---keine Weltpolizistin. Darüber wird auch nicht berichtet, dass auch Grossdemonstrationen für die Unterstützung der Regierung in Syrien gibt. Bei diesen Demonstrationen werden aber die "unbewaffneten Zivilisten" nicht auf die Sicherheitskräfte schiessen, wie bei den Demonstrationen der Opposition. Diejenige, die Luftangriffe gegen die eigene Bevölkerung bestellen, würden IN ALLEN LÄNDER DER WELT als Hochverräter (wie auch die im Artikel erwähnte "Aktivistin") eingestuft, und entsprechend behandelt. Vielleicht sollten die Demonstranten in Syria nicht randalieren, und keine fremde Interesse vertreten. Noch einmal Libyen: Die NATO-Terrorangriffen führten zu mehrere zehntausend Toten, das Land wurde zerbombt, im Land herrscht Gesetzlosigkeit, die in die Macht gebombte Übergangsrat hat überhaupt keine breite gesellschaftliche Unterstützung (auf gut Deutsch unterstützt die NATO die Herrschaft einer sehr kleinen Minderheit als "Demokratie"), usw. Wollen die Hochverräter ("Aktivisten") auch ähnliche Verhältnisse in Syrien? Würden solche Verhältnisse im Interesse der Bevölkerung in Syrien sein? Bin ich nicht so sicher...