Streit der Woche: Sind die Studiengebühren am Ende?
Bayern und Niedersachsen sind die beiden letzten Bundesländer mit Studiengebühren. Steht das Bezahlmodell an den Unis vor dem Aus?
Am Ende der Diskussionen klopften sie sich demonstrativ gelassen auf die Schultern. Von einem drohenden Koalitionsbruch wollte niemand mehr etwas wissen. Dabei hatte der Streit über die Studiengebühren die bayrische Koalition von CSU und FDP in eine schwere Krise gestürzt. Weil sie im November nicht weiter kamen, vertagten die Parteien die Diskussion auf Januar.
Während die CSU entgegen der Koalitionsvereinbarung von 2008 auf einer Abschaffung der Studiengebühren beharrt, plädiert FDP-Landeschefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für deren Beibehaltung. Schließlich hätten Studiengebühren „zu einem hervorragenden Niveau der Studienbedingungen in Bayern geführt“ und seien eine „Frage der sozialen Gerechtigkeit.“
Nachdem die CSU Studiengebühren zunächst eingeführt hatte, überrascht sie nun mit einem Kurswechsel. Das bevorstehende und erfolgversprechende Volksbegehren der Freien Wähler Bayern gegen Studiengebühren scheint die CSU unter Druck zu setzen. Im großen Wahljahr 2013 will sie sich nicht die Blöße einer Niederlage geben. Also schafft man die Gebühren lieber selbst ab.
„Den Hochschulen kann auch so ausreichend Geld aus dem Haushalt für hochwertigste Studienbedingungen zur Verfügung gestellt werden“, sagt CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer. Mit dem Volksbegehren habe das gar nichts zu tun.
Von Anfang an Proteste
Seit ihrer Einführung im Sommersemester 2007 werden die allgemeinen Studiengebühren bundesweit von Protesten begleitet. Sieben Bundesländer verpflichteten ihre Studenten zu 100 bis 2000 Euro Gebühren pro Semester. Während sich die Hochschulen über zusätzliche Finanzmittel freuten, organisierten sich studentische Interessenverbände zur Abschaffung der Gebühren.
Gesellschaftliche Kosten würden auf einzelne abgewälzt, eine Selektionswirkung des Bildungssystems verstärkt und die Studenten zum Kunden ihrer Universität gemacht, sagten die einen. Mit intensiverer Studienberatung, günstigeren Betreuungsrelationen und moderneren Lehrmitteln argumentierten die anderen. Die Geschichte der Studiengebühren ist eine Streitgeschichte.
Gefahr eines „Rollbacks“?
Oliver Iost, Herausgeber der Online Plattform StudisOnline glaubt nicht ans Aus der Studiengebühren: „In Bayern werden die Studiengebühren von teilweise über 2000 Euro pro Semester für berufsbegleitende Bachelor an öffentlichen Hochschulen auch nach erfolgreichem Volksbegehren bestehen bleiben“, schreibt er. Weil „kleine Studiengebühren“ wie Rückmeldegebühren auch in rot-grün regierten Ländern immer noch bestünden, bliebe die Gefahr eines „Rollbacks“ immer bestehen, so Iost.
Bayern und Niedersachsen nehmen als letzte Bundesländer nun ebenfalls Abstand vom Bezahlstudium. Was meinen Sie: Sind die Studiengebühren nun endgültig am Ende?
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Leser*innenkommentare
Alfred Mayer
Gast
Wann kommt ein Volksbegehren für die Abschaffung der Kindergartengebühren ?
Das wäre noch viel wichtiger, denn das trifft alle Schichten, während Studiengebühren Angelegenheit der Elite sind, die sich weit besser helfen kann als der weniger privilegierte Teil der Eltern.
Nur 30 % der Studierenden sind "Arbeiterkinder". „Ganz zufällig“ sind auch 30 % der Studierenden sind von Studiengebühren befreit.
Also alles andere als ein drängendes soziales Problem.
Ich kann Seehofer verstehen, daß er den Volksentscheid für ein Anliegen der (jedenfalls künftigen) Oberschicht abwarten will, denn der Ausgang ist ungewiss.
Wenn ich mich recht erinnere, hatten die Grünen und die SPD zunächst erklärt, sich nicht zu beteiligen. Erst nach dem gerichtlichen Segen machen sie auch mit. Dieses Volksbegehren zu einem unglücklichen Zeitpunkt könnte im Endeffekt also weitere CSU-Herrschaft in Bayern sichern.
Der Uli
Gast
am Ende ist zuallererstmal das Konzept Schwarz-Gelb mit ihrer Kientelpolitik. Erst in Niedersachsen, und dann in Berlin.
Bayern ist ein Sonderfall: Natürlich wird die CSU die Gebühr abschaffen. Wenn die Gefahr besteht, daß sie die Staatskanzlei verlieren, darf man auch wieder besoffen Autofahren in Bayern ...
Im Effekt also: Ja. Das Ding ist gelaufen
Student
Gast
Schon wieder Alternativlos?
Wie oft habe ich dieses Wort schon von unserer Kanzlerin gehört und wie so oft ist es nicht mehr als eine Floskel gewesen. Genau diese Argumentation der Hochschulen kann doch niemand wirklich nachvollziehen.
Studiengebühren stellen für diejenigen, die es sich leisten können kein Hindernis dar. Für Menschen aus einem finanziell schwachen Hintergrund ist die Aussicht auf eine fünfstellige Verschuldung durchaus ein Grund, ein Studium gar nicht erst zu beginnen. Diese Zustände sind politisch gewollt, denn eine Anhebung der Sozialleistungen bleibt aus. Die Stipendienprogramme zur Linderung bzw. Elitenförderung auch in armen Schichten ist hier nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein!
Hamann mit Hut
Gast
Mir fällt nicht eine einzige sinnvolle Anschaffung oder Verbesserung für die Studenten ein, die mithilfe der Studiengebühren erreicht worden ist. Erreicht wurde lediglich, die traditionelle Selektion im Bildungssektor zu verstärken und Tausende von intelligenten aber nicht reichen Studis von der Uni zu verbannen. Die Abschaffung dieser anachronistischen Zahlungen ist längst überfällig.
Womit die ASten und die Mitglieder der Studierendenparlamente nach der Abschaffung der Gebühren allerdings Wahlkampf machen werden, bleibt abzuwarten. Womöglich geht die studentische Selbstverwaltung dann ganz den Bach runter. DAS wäre mal Stoff für eine Verschwörungstheorie!
w.-g.esders
Gast
damit dann die spaeteren akademiker von den unteren klassen subventioniert werden.
Uwe Roos
Gast
Die Einführung der Gebühren war von Anfang an eine politische Totgeburt. Ideologisch besetzt und dem oft zitierten Bildungstandort Deutschland zuwider laufend, hat diese Form der Selektierung Streit und Empörung gefördert. Die eigentliche Intention, Hochschulbildung retrospektiv als elitäres Gut für Besserverdienende unter Ausschluß bestimmter Bevölkerungsgruppen durchzudrücken zeugt nur von gesellschaftlicher und klientelbehafteter Blindheit.