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Streit der Woche zur arabischen RevolutionSind Frauen die Siegerinnen?

Vor einem Jahr vertrieben die Tunesier ihren Präsidenten Ben Ali. Seitdem rebellieren arabische Frauen und Männer gegen Missstände und Unmündigkeit.

Kein ungewohntes Bild seit Ausbruch der Revolution: Protestierende Frauen in Ägypten. Bild: imago / Xinhua

Arabische Frauen haben Geschichte geschrieben. Ohne sie säßen Ben Ali, Mubarak und Gaddafi noch heute auf ihren Thronen. Seit Beginn der Aufstände standen sie in Tunesien an der Seite der Männer. In Libyen begehrten sie vor dem Gerichtsgebäude in Benghazi auf, noch bevor die Männer dazustießen. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo versorgten sie Verletzte und machten auch aus ihren Social-Media-Skills keinen Hehl: Die jungen arabischen Bloggerinnen sind mittlerweile zu international gefragten Berühmtheiten geworden.

Die Frauen scheinen die Siegerinnen der arabischen Revolution zu sein – aufgetaucht aus den Tiefen des patriarchalischen Jochs.

Oder ist diese Sichtweise verzerrt? Von den vielen Anfragen westlicher Medien sind die neu entdeckten Bloggerinnen schon ganz müde. Vielleicht erstaunt uns nicht die aufblühende arabische Frauenpower, sondern nur ein Klischee, konstruiert von westlichen Medien.

Denn auch wenn an dem Bild der unterdrückten arabischen Frauen gekratzt wurde, müssen sie deshalb noch lange keine Siegerinnen sein.

In Ägypten etwa haben die Muslimbrüder die Hälfte der Parlamentssitze gewonnen. Gar nicht zu reden von den bärtigen Brüdern der salafistischen Nur-Partei.

Wie Sahne könnten nun islamisch-konservative Gesetze durch das Parlament flutschen. Das erst jüngst erstrittene Recht der Frau auf Scheidung? Ade! Weibliche Präsenz im öffentlichen Raum? Ade! Auf ihren Wahlplakaten hat die Nur-Partei das Bild ihrer einzigen Kandidatin durch das Parteilogo ersetzt.

Schon bald könnten sich die Frauen nach den stabilen autoritären Regimen zurücksehnen. Für ihren Einsatz für Frauen und Kinder erhielt die Autokraten-Gattin Suzanne Mubarak sogar eine Ehrenmedaille der Freien Universität Berlin. Und war die syrische First Lady Asma al-Assad nicht eine vorbildlich moderne Frau?

Die Unterdrückung der Frau ist nicht die Sache von autoritären Herrschern, sondern von anderen Kräften. Und dennoch: Die Stimmen der arabischen Frauen sind immer noch deutlich zu hören.

Was meinen Sie: Sind Frauen die Siegerinnen der arabischen Revolution?

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Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 14./15. Januar, dem Wochenendmagazin der taz. Am eKiosk, oder im Briefkasten via //www.taz.de/zeitung/abo/wochenendabo:Wochenendabo.

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11 Kommentare

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  • IB
    interessante bewegte Zeiten

    Angesichts der überraschenden Erfolge Regime-Stürze, Reformen, kann schon gefragt werden woher nehmen die Menschen, die in den arabischen Ländern und im Iran aufbegehren ihr Selbstvertrauen?

    In Tunesien habe ich Frauen und Männer erlebt, die nicht sonderlich gehemmt oder leise waren bei den Diskussionen.

    Es gibt eben trotz religiöser oder atheistischer Prägung allerlei verschiedene politische Richtungen unter der ganzen Bevölkerung.

    Die Frage "Sind Frauen die Siegerinnen?" ist nicht die beste Frage für einen noch recht offenen Prozess.

    Ja, könnte ich sagen, weil es in Tunesien nicht nur gelang einen Diktator zu stürzen, sondern auch den antifeministischen Richtungen nicht so leicht möglich ist, durch Gesetze ihre Weltsicht durchzusetzen.

    Jeder Automatismus: "Moslembrüder führen Gottesstaat ein" ist weltfremd.

    Wir werden sehen, wieder, am 8.März.

    Und, natürlich sind nicht Männer gegenüber den Frauen die Verlierer, also es ist noch alles offen.

  • G
    Goldfalter

    Wie wenig kritisch westliche Medien und Journalisten sind, wird hier wieder ersichtlich. Der Frau wird im Islam bzw.in islamischen Ländern eine bestimmte Rolle zugewiesen und sie hat weniger Rechte als ein Mann. Das ist so und wird sich durch eine "Revolution" auch nicht ändern. Im Gegenteil: Die Revolte war ja dazu da, um das säkulare abzuschaffen. "Demokratie" und "Revolution" sind Schlagwort, die das Denken der Journalisten vernebeln.

  • JB
    Jochen Braun

    Keine Panik!

    Sicherlich sind weder Moslemburderschaft noch Salahfisten sonderlich fortschrittlich oder demokratisch. Es gibt aber weder in Tunesien noch in Ägypten einen Grund einen Mullah-Staat wie den Iran herbeizureden. Gerade Tunesien verfügt über eine ausgeprägte Zivilgesellschaft, über starke Gewerkschaften und ein relativ hohes Bildungsniveau. Die Moslembruderschaft, die Salahfisten und andere islamistische Gruppen konnten nur in der Opposition zu diktatorischen Herrschern gedeihen. Der tägliche Regierungsablauf, die Notwendigkeit internationaler Hilfe beim wirtschaftlichen Aufbau, wirtschaftliche Interessen der Armee z.B. im ägyptischen Tourismus und andere, Kompromisse erfordernde Notwendigkeiten, werden alle Radikalskies schnell auf den Boden der Tatsachen bringen. Das bedeutet nicht, dass man die Entwicklung nicht kritisch und aufmerksam beobachten sollte! Notwendig ist aber auch und vielmehr, dass den Menschen vor Ort, welche mit viel Mut und grossen Opfern die alten Diktaturen hinweggefegt haben, die nötige Unterstützung und das verdiente Vertrauen entgegenzubringen. Die Radikalität weniger wurde und wird von Armut, Korruption und Unsicherheit genährt. Es gilt also gerade jetzt den Ländern beim "Nationbuilding" zu helfen, Zivilgesellschaften zu fördern und die Wirtschaft in Gang zu bringen.

    Marokko als Land mit der wohl grössten gesellschaftlichen Öffnung erweist sich nicht umsonst als stabiler Gegenpool zu Lybien und Ägypten.

    Eine neue politsche und wirtschaftliche Partnerschaft zwischen Europa und der muslimisch-mediteranen Region ist nötig und kann nur zum Vorteil aller sein. Niemand kann sich hier ein lybisches Somalia wünschen oder ein Auseinanderbrechen Syriens.

    Wichtig wird aber auch ein neuer und konsequenter Anlauf zu einer dauerhaften und gerechten Regelung der Landfrage zwischen Israel und den Palästinensern sein. Die einseitige Parteinahme für Israel, das weitestgehende ignorieren rechtswidriger Landbesetzungen durch die USA und Europa hat bei vielen Muslimen zu einem Gefühl des Unrechts und der Zweitklassigkeit geführt. Dieses Gefühl ist ein gefährlicher Nährboden für radikale Gruppen und ein Hemmschuh beim Aufbau einer dauerthaften Partnerschaft.

    Die aktuelle Situation eröffnet nicht nur den Menschen vor ort neue Möglichkeiten und Chancen sondern auch und gerade uns Europäern. Wir sollten diese Chancen nicht vergehen lassen!

  • V
    Verwegener

    Alle der Staaten der Arabellion werden am Ende islamische Gottesstaaten sein! Vielleicht weil es die Mehrheit will, vielleicht weil hinter den Moslembrüdern und den Salafisten viel Geld steckt. In jedem Fall werden die Frauen am Ende die Verlierer sein. Sie werden ihre kurz aufgeblühten Träume von Freiheit schnell wieder begraben und einen sehr hohen Preis zahlen. Der Westen wird sie schnell wieder vergessen. Da die Medien kein Geld mehr mit den Erzählungen verdienen können. Wahrscheinlich werden unsere westliche Medien dazu genutzt werden besonders aktive Frauen schnell ausfindig und mundtot zu machen. Die Betonung liegt dabei wahrscheinlich auf tot. Gratulation an uns alle und inbesondere an die, welche sich hier wehement für Frauenrechte einsetzen!

  • W
    WasWeissDuden

    "Thrönen"? - Was die Amis über Pakistan fliegen lassen, sind dann "Dröhnen", oder was?

  • K
    kto

    Nur ganz nebenbei: "Thrönen" gibt es nicht - es muss "Thronen" heißen! So steht's jedenfalls in allen DÜDEN...

  • S
    suswe

    Wenn die Einsicht siegt, dass Menschenrechte mehr als nur eine taktisch verwendete Marotte des Westens sind, dann hat die Arabishche Welt eine Aussicht auf die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse.

    Könnte auch woanders etwas bringen und endlich mal Zivilisation weltweit realisieren.

    Kümmern wir uns dann auch mal um die Bestrafung/Unterbindung von Frauenhandel und Sextourismus im ach so modernen Westen?

  • SV
    Suse von Molke

    Das können doch wohl nur die arabischen Frauen selbst entscheiden. Wie sollen wir das im Westen,ohne die Lebensumstände genau zu kennen, beurteilen? Ich denke, dafür ist es ohnehin zu früh.

  • R
    Restmüllfan

    Ich bin erstaunt und voller Respekt dafür daß Sie solche von der Mainstream-Presse ignorierten/unterdrückten Themen thematisieren. Es schreibt Ihnen : Ein Rechter.

  • P
    Philip

    Müsste die Frage nicht heißen „Siegerinnen der arabischen Revolution?“?

  • FM
    Freie Meinung

    Es ist zu befürchten, dass die Islamisten gegen eine Gleichberechtigung arbeiten.

     

    Die traditionell islam-konservativ sozialisierten Frauen werden diesen Rückschritt sogar begrüßen.

    Die fortschrittlich Denkenden bleiben aber leider auf der Strecke.