Streiktagebuch: "Die Stimmung wird kippen"
Sabine Bulla, 44, fährt seit 21 Jahren Bus bei der BVG. Die alleinerziehende Mutter von 16-jährigen Zwillingen hat das Wochenende eifrig durchgestreikt.
"Ich bin schon ganz schön müde. Eigentlich hatte ich am Wochenende frei und wollte ein bisschen Zeit mit meinen Kindern verbringen. Zumindest Mittagessen. Aber ich bin sowohl am Samstag als auch am Sonntag jeden Morgen um vier Uhr aufgestanden, damit ich um fünf am Bushof war. Wenigstens war das Wetter nicht mehr so nasskalt.
Sabine Bulla, 44, fährt seit 21 Jahren Bus bei der BVG. Die taz begleitet sie seit dem ersten Tag durch den BVG-Streik
Natürlich nehme ich mir an den Streiktagen auch mehr Freizeit. An normalen Diensttagen habe ich oft nur sechs Stunden Schlaf. Dann meldet sich irgendwann der Körper und sagt: Du musst dich früher hinlegen. Dann bin ich schon auch mal um halb neun im Bett, um pünktlich bei der Frühschicht zu sein. Jetzt kann ich mir ein bisschen mehr Schlaf gönnen.
Fünf Stunden war ich an beiden Wochenendtagen am Bushof. Dort rede ich mit Kollegen, was uns jeweils am nächsten Tag erwarten wird. Uns wurde gesteckt, dass in der Nacht zu Montag Kollegen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, die Bushöfe stürmen wollen. Falls es wirklich so weit kommt, werden wir alle schon um zwei Uhr am Bushof in der Cicerostraße sein. Wir werden uns davor stellen. Ich denke mal nicht, dass die dann noch an uns vorbeikommen.
Ich hoffe nicht, dass es zu Handgreiflichkeiten kommen wird. Unter Kollegen muss das nun wirklich nicht sein. Ein Kollege hat aber gesagt: Wenn er angefasst wird, dann haut er zurück. Kann ich verstehen. Wenn mich jemand angreift, werde ich mich auch wehren. Ich rechne aber nicht mit einem Angriff.
Was die Lokführer angeht, da denke ich, es gehört viel Mut dazu, jetzt ebenfalls die Arbeit niederzulegen. Ich fände es gut, wenn Lokführer und die BVG zeitgleich streiken. Das erhöht insgesamt den Druck. Aber eben habe ich mit meinem Sohn gesprochen, der findet das langsam nicht mehr so lustig. Na ja, sagt er, zur Schule muss er ja nicht so weit laufen, da ginge das noch. Wenn er aber irgendwohin will, sei es schon doof mit dem Streik. Da tut er mir schon ein bisschen leid. Aber ich habe ja ein Auto und fahre meine Kinder, wenn sie irgendwohin müssen.
Ansonsten haben die Berliner bisher relativ gelassen auf unseren Streik reagiert. Insgesamt aber denke ich schon, dass sie ganz schön sauer sind. Ich rechne auch fest damit, dass die Stimmung kippen wird. Ein Kollege erzählte vom zweiten Streiktag. Da stand er mit seiner Dienstkleidung vor einer Tankstelle und wurde beschimpft. Ich denke mal, da wird schon Hass aufkommen gegen die BVG-Leute. Aber da können wir auch nichts machen. Und schlechter wird die Stimmung bei meinen Kollegen nicht werden. Bei mir schon gar nicht." PROTOKOLL: FELIX LEE
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