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Archiv-Artikel

Streik für die 35-Stunden-Woche

IG Metall rechnet im Juni mit Streiks in den neuen Bundesländern. Tarifbindung im Osten ist sehr schwach

Von BD

BERLIN taz/afp ■ Trotz eindringlicher Warnungen auch von SPD-Politikern wird in der ostdeutschen Stahl- und Metallindustrie voraussichtlich ab Juni gestreikt. Der Vorstand der IG Metall beschloss gestern in Berlin, von heute an in der ostdeutschen Stahlindustrie eine Urabstimmung einzuleiten und ab kommenden Montag in der sächsischen Metall- und Elektroindustrie damit zu beginnen.

IG-Metall-Chef Klaus Zwickel zeigte sich überzeugt, dass die nötige Zustimmungsrate von 75 Prozent der Mitglieder für einen Streik erreicht werde. Die IG Metall will damit ihre Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland durchsetzen. Bundesbauminister Manfred Stolpe fürchtet Schaden für den Osten.

Gestreikt werden soll nach dem Plan der IG Metall in der Metall- und Elektroindustrie zunächst nur in Sachsen. Zur Urabstimmung aufgerufen sind 16.000 Gewerkschaftsmitglieder in 85 Betrieben der sächsischen Metall- und Elektroindustrie sowie rund 7.000 Beschäftigte in 17 Betrieben der Stahlindustrie. Die anderen Bezirke blieben in „Wartestellung“. Er stelle sich darauf ein, die Streiks „auszuweiten“, ergänzte Zwickel. Erwartet werden am Freitag und Dienstag zudem Anträge auf Urabstimmung der Tarifkommissionen für Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.

Hintergrund ist der Streit um die Verkürzung der Arbeitszeit in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie von derzeit 38 Stunden auf 35 Stunden pro Woche wie im Westen. Die Gewerkschaft will eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich. 13 Jahre nach der Einheit sei ein weiterer Schritt zur Angleichung der Arbeitsverhältnisse nötig, argumentierte Zwickel.

Ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall hingegen erklärte, es sei die „falsche Forderung“ zum „falschen Zeitpunkt“. In Ostdeutschland arbeitet ohnehin nur ein Viertel der Beschäftigten in der Metallindustrie in flächentarifgebundenen Betrieben. Und in einem Drittel dieser tarifgebundenen Betriebe wird schon die Härtefallklausel angewandt, um beispielsweise die Arbeitszeit vorübergehend ohne Lohnausgleich zu verkürzen oder auszuweiten.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Klaus Brandner, der zugleich IG-Metall-Funktionär ist, warnte gestern, ein Streik bedeute aus wirtschaftspolitischer Sicht „Unruhe“. Bundeskanzler Schröder (SPD) äußerte sich „besorgt“ über einen möglichen Arbeitskampf. BD

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