Streetball-Qualifikation für Olympia: Hippe Inszenierung
Die deutschen 3x3-Basketballerinnen können sich für die olympische Premiere qualifizieren. Hoffen lässt in Graz die Teilnahme von Satou Sabally.
Wer den Instagram-Account von Satou Sabally verfolgt, wird stets gut unterhalten. Mal postet die derzeit bekannteste und beste deutsche Basketballerin schick inszenierte Porträtfotos von sich auf Basketball-Courts oder abseits davon. Hin und wieder teilt sie einen Videoschnipsel, der sie bei einer kurzen Tanzeinlage zeigt – und immer wieder wirbt die 23-Jährige bei ihren knapp 100.000 Follower*innen auch für ihr politisches Engagement und die Bewegung Black Lives Matter. Ihr Kanal bietet meistens einen spannenden Blick hinter die Kulissen einer WNBA-Spielerin.
In den vergangenen Tagen haben ihre Social-Media-Posts sogar den perfekten Vorgeschmack auf das Qualifikationsturnier in der in diesem Jahr erstmals olympischen Sportart 3 x 3-Basketball geliefert, in das Sabally mit dem deutschen Frauen-Nationalteam ab heute in Graz einsteigt. Bis zuletzt versorgte sie ihre Fans mit Eindrücken aus ihrem Hotelzimmer in Österreich, vom Fotoshooting mit der Mannschaft oder von einer Massageeinheit – immer unterlegt mit fetzigen HipHop-Beats.
Und Beats spielen eine wichtige Rolle beim 3 gegen 3, denn: Fast alle Begegnungen werden von einem DJ begleitet und vom Spielfeldrand aus live kommentiert. Genau wie Saballys’ Instagram-Account ist 3 x 3-Basketball vor allem eines: eine Inszenierung.
Dass das IOC die Trendsportart 3 x 3 in sein olympisches Portfolio aufgenommen hat, wundert daher nicht. Die urbane Streetball-Variante kommt bei vielen jungen Menschen gut an und lässt sich entsprechend vermarkten. Dass ein deutsches Frauen-Basketball-Nationalteam eine realistische Chance hat, sich für Olympia zu qualifizieren, wundert dafür umso mehr. Im klassischen 5-gegen-5-Basketball ist das bisher noch nie gelungen. „Alle sagen, das wäre eine Riesenüberraschung“, sagte Sabally zuletzt dem SID: „Aber unser Team ist supertalentiert und beim 3x3 gibt es auch immer wieder Überraschungen.“
Auf dem Grazer Hauptplatz
Eine Überraschung wäre bei den ersten beiden Gruppenspielen am Donnerstag gegen Uruguay (11.30 Uhr) und Indonesien (13.30 Uhr) allerdings erst einmal alles andere als ein Sieg. Entscheidend dürften die beiden Partien am Samstag gegen Frankreich und Top-Favorit USA werden, von denen die deutschen Frauen zumindest eines gewinnen müssten, um sich als Gruppenzweite für das Viertelfinale zu qualifizieren. Um das Olympia-Ticket tatsächlich zu lösen, müssen Sabally, 3x3-Kapitänin Svenja Brunckhorst, Therese Simon und Stefanie Grigoleit allerdings eines der beiden Halbfinals oder das Spiel um Platz drei gewinnen. „Wenn wir die Gruppenphase überstehen“, sagt Bundestrainer Matthias Weber, „dann ist in der K.-o.-Runde wirklich alles drin.“
Sowohl die Gruppenspiele der jeweils 20 Männer- und Frauenteams als auch die K.-o.-Runde finden vor einer beeindruckenden Kulisse statt. Nicht nur weil täglich 1.000 Fans die Spiele vor Ort verfolgen können. Sondern auch, weil der österreichische Basketball-Verband auf dem zentralen Grazer Hauptplatz ein eigenes, kleines 3 x 3-Stadion errichtet hat – den sogenannten „Thunderdome“. Das 3 x 3-Spielfeld ist dabei nur halb so groß wie ein klassisches, die zwei dreiköpfigen Teams werfen auf nur einen Korb, die Spielzeit beträgt maximal zehn Minuten. Für Treffer von außerhalb der Dreipunktlinie gibt es zwei Punkte, für Treffer von innerhalb einen. Bei 21 Punkten hat ein Team das Spiel vorzeitig gewonnen.
Neben Satou Sabally dürfte es in Graz besonders auf Kapitänin Svenja Brunckhorst ankommen, die zuletzt einiges geopfert hat. Im Januar hat sie ihren langjährigen Verein, den elffachen deutschen Frauen-Basketball-Meister TSV Wasserburg, verlassen, um sich ganz dem 3x3-Basketball zu widmen. Seitdem trainiert sie mit drei Kolleginnen, finanziell unterstützt über die Spitzensportförderung der Bundeswehr, am zu Jahresbeginn neu geschaffenen 3x3-Bundesstützpunkt in Hannover. „Wir haben in den letzten Monaten vieles einstudiert“, sagt sie. „Und ich hoffe, dass wir davon in Graz profitieren. Ich will das Olympia-Ticket unbedingt lösen.“
Ob die deutschen Frauen bei der olympischen Premiere in Tokio dabei sind, werden die Follower*innen von Satou Sabally gewiss zeitnah erfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind