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Street-Art-Kunstprojekt in BerlinArtwashing am Alexanderplatz

Immobilien-Riese Covivio lässt 240 Meter Bauzaun von Künstlern gestalten. Ein billiger Trick um das Image aufzupolieren, findet unser Autor.

Ein Radfahrer passiert den vom Künstler Age Age gestalteten Bauzaun am Alexanderplatz Foto: Christoph Soeder / dpa

So charakteristisch wie das allgegenwärtige Betongrau am Alexanderplatz ist der schlechte Ruf von börsennotierten Immobilien­unternehmen in der Hauptstadt. Namen wie Akelius und Deutsche Wohnen werden oft in einem Atemzug mit „Verdrängung“ und „Gentrifizierung“ genannt. Kein Wunder, denn mit dem Geschäftsmodell, maximale Profite aus einem Grundbedürfnis zu schlagen, macht man sich naturgemäß nicht viele Freund*innen, besonders in einer Mieter*innenstadt wie Berlin.

Auch die Covivio Immobiliengruppe mischt mit einem Bestand von rund 16.000 Wohnungen kräftig am Berliner Mietenmarkt mit. So baut Covivio mitten auf dem Alexanderplatz neben dem Holiday-Inn-Hotel gerade ein 130 Meter großes Hochhaus, was der Grau­palette am Alexanderplatz noch ein paar Nuancen hinzufügen dürfte.

Nun kam Covivio mit der Agentur „Street Art Berlin“ auf die geniale Idee, den 240 Meter langen Bauzaun von Straßenkünstlern gestalten zu lassen. Bis zu der geplanten Fertigstellung des Hauses 2025 wird dieser wohl noch eine Weile bleiben.

Statt blankem Sperrholz zieren jetzt zwei über hundert Meter lange Kunstwerke den Bauzaun, die von dem Graffiti-Künstler Age Age und dem Street-Art-Duo Ron Miller gestaltet wurden. Vorgegeben wurde von Covivio nur das Oberthema „Europa“, ansonsten konnten sich die Künstler kreativ ausleben. So erzählt Age Age die wechselhafte Geschichte Europas durch ein Chamäleon, das durch die Zeit reist und immer neue Formen annimmt. „Noch nie hat jemand so viele Meter Bauzaun bemalt“, sagt Kuratorin Dia­na Marossek von „Street Art Berlin“ enthusiastisch bei der Eröffnung am Montag. Alle halbe Jahre sollen ­dann neue Künst­ler*innen die Möglichkeit haben, den Zaun zu gestalten.

Sozialverträglicher Anstrich

Das Projekt lässt sich als klassische „Win-win-Situation“ verstehen: Zum einen bekommen Straßenkünstler*innen eine Möglichkeit, ihre Kunst an einem zentralen Ort umzusetzen (und das sogar noch legal und bezahlt). Zum anderen bietet es einem Immobilienunternehmen wie Covivio die Möglichkeit, mal nicht nur im Zusammenhang mit Luxusmodernisierungen und Eigentums­umwandlungen in der Presse aufzutauchen.

So eindrucksvoll das Ergebnis auch ist, ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Letztendlich ist das Projekt für Covivio eine vergleichsweise günstige Möglichkeit, sich einen sozialverträglichen Anstrich zu geben, indem sich das Unternehmen als selbstloser Förderer der Künste präsentiert.

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