Strauß im Wachsfigurenkabinett empört CSU: Ein Schurke aus Bayern
Die bayerische Ikone Franz Josef Strauß wird im Berliner Wachsfigurenkabinett als Bösewicht gewürdigt. Erboste CSUler fordern den Außenminister zum Handeln auf.
Und schon wieder wird die CSU in Berlin beinahe übersehen. Diesmal war es nicht einmal Erwin Huber, sondern der gewichtige Parteiübervater Franz Josef Strauß. Beinahe drei Wochen blieb er von der ganz großen Öffentlichkeit unbemerkt. Nun drang es bis nach München durch, dass sich der ehemalige bayerische Ministerpräsident und langjährige CSU-Chef im Berliner Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud wiederfindet. Das allein wäre aus Sicht seiner politischen Kinder und Enkel keine große Nachricht wert, sondern würde mit bayerisch-barocker Selbstverständlichkeit zur Kenntnis genommen, jährt sich doch gerade sein 20. Todestag.
Doch nein, nicht als Wachsfigur ist der Sohn eines Metzgermeisters zu sehen - sondern mit Lupe auf einer schnöden Infowand neben den echten 75 Figuren. Die Schauspielerin Franka Potente ist dabei, Hitler bekanntermaßen auch und sogar Sven-Göran Eriksson, der ehemalige Rechtsverteidiger des schwedischen Fußballvereins KB Karlskoga. FJS - wie er von Partei und Opposition immer noch gerne genannt wird - ist dagegen nur per Hinweisschild verewigt.
Nun haben die wichtigen Köpfe der CSU begonnen, dies zu einer Staatsangelegenheit zu erheben, nachdem die Meldung vom gar so offensichtlichen Kleinreden München erreicht hat. Offiziell aufgehängt haben sich die Parteioberen über den Titel der Infotafel. "Helden & Bösewichte" steht darüber. Versammelt sind auf der Tafel neben FJS auch der DDR-Spion Günter Guillaume, über den Willy Brandt einst stürzte, der Weltkriegsjagdflieger Manfred von Richthofen und Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg. Ganz klar ist die Zuordnung zu Gut und Böse auf den ersten Blick nicht - allerdings wird der Text dann doch recht deutlich. "Political Scandal" ist FJS Tafel überschrieben und beschrieben wird darunter die Spiegel-Affäre aus dem Jahr 1962, die den damaligen Verleger Rudolf Augstein auf Betreiben eines zutiefst verärgerten Strauß hinter Gitter brachte.
"Das ist eine Sauerei!" schimpft jetzt CSU-Chef Erwin Huber. "Strauß gehört zu den Helden!" Schließlich habe Strauß bis zu seinem Tod vor 20 Jahren stets standhaft für die Deutsche Einheit gekämpft. Und Markus Söder - der bayerische Europaminister - fordert von seinem großen Ressortkollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD) gar eine Intervention auf Regierungsebene: "Er muss in London vorstellig werden, ein solches Vorgehen belastet die bayerisch-englischen Beziehungen." Da stellt sich am Rande die Frage, wieso sich Steinmeier einmischen soll? Verfügt die CSU in der Post-FJS-Ära über keine eigenen internationalen Kontakte mehr? Über den Türöffner Rolls-Royce (BMW-Tochter) müsste doch notfalls ein Kontakt möglich sein zur Tussaud-Zentrale in London. Und natürlich würde fürs Erste auch der Griff zum Telefonhörer reichen.
Sehr begrenztes Mitleid
Doch in der Berliner Museums-Dependance hat sich noch niemand gemeldet aus der Staatskanzlei oder dem Franz-Josef-Strauß-Haus, wie die Museumssprecherin Natalie Ruoß erklärte. Und übrigens: Eine eigene Wachsfigur sei derzeit nicht geplant. "Strauß ist ja nur ein kleines Element in unserer Ausstellung", erklärt Ruoß, die das Gewese nicht so ganz nachvollziehen kann. Dabei geht es doch im Kern genau darum: Ein Franz Josef Strauß hat gefälligst in voller Lebensgröße im Museum zu stehen - und nach Möglichkeit sogar leicht überhöht. Dass nun die Historiker in der Londoner Tussaud-Zentrale ihren großen Vater beinahe ganz vergessen haben, schmerzt in der CSU-Seele, die eh schon verzweifelt gegen das Vergessenwerden in Berlin kämpft. Voller Mitleid ist auch die bayerische Grünen-Chefin Theresa Schopper, die der CSU per taz einen Ratschlag mit auf den Weg gibt: "Egal, ob positiv oder negativ, Hauptsache man steht in der Zeitung. Das hat Strauß selbst immer gepredigt!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr