Strauss-Kahn unter ständiger Überwachung: Behörden fürchten Selbstmord
Der IWF-Chef wird rund um die Uhr beobachtet, um sicherzustellen, dass er sich keinen Schaden zufügt. Das mutmaßlich angegriffene Zimmermädchen bestätigt nun, gegen ihn aussagen zu wollen.
BERLIN dpa | Der wegen Verdachts der versuchten Vergewaltigung inhaftierte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn steht rund um die Uhr unter besonderer Beobachtung. Um einen Selbstmord zu verhindern, schauen Wachleute alle 15 bis 30 Minuten in seine Zelle im New Yorker Gefängnis Rikers Island, wie die britische BBC am Mittwoch berichtete.
Alle Häftlinge in Rikers werden bei ihrer Ankunft routinemäßig untersucht. Der Chef der Gewerkschaft der New Yorker Justizmitarbeiter, Norman Seabrook, erklärte am Dienstag, während dieser Untersuchung habe Strauss-Kahn etwas gesagt oder getan, was den Ärzten Anlass zur Sorge gegeben habe. Er werde daher Tag und Nacht überwacht. Ein Gewährsmann bei der Polizei bestätigte, dass Strauss-Kahn nach einer psychologischen Untersuchung besonders beobachtet werde. Er habe aber nicht versucht, sich selbst zu verletzten.
Strauss-Kahn wurde in einem Zellentrakt untergebracht, in dem normalerweise Gefangene mit ansteckenden Krankheiten inhaftiert sind. Justizsprecher Stephen Morello erklärte, der Flügel verfüge über 14 Zellen, von denen nur die Strauss-Kahns besetzt sei. Da er in Untersuchungshaft sitzt, muss er keine Gefängniskleidung tragen. Das könnte sich jedoch vielleicht bald ändern, denn das angeblich von Dominique Strauss-Kahn angegriffene Zimmermädchen will gegen den Chef des Internationalen Währungsfonds aussagen.
Wenn die 32-Jährige aufgefordert werde, sei sie bereit gegen den Franzosen in den Zeugenstand zu treten, sagte ihr Anwalt Jeffrey Shapiro am Dienstag (Ortszeit) dem Sender CNN. Derzeit arbeite sie bereits mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen.
Die New Yorker Hotelangestellte, die Strauss-Kahn der versuchten Vergewaltigung bezichtigt, wusste nach Angaben ihres Anwalts nicht, mit wem sie es bei ihrem mutmaßlichen Angreifer zu tun hatte. Seine Mandantin habe vor dem Angriff auf sie nicht gewusst, welches Amt Strauss-Kahn innehabe, sagte Anwalt Jeffrey Shapiro am Dienstag. Auch die New Yorker Polizei sei zu dem Ergebnis gekommen, dass seine Mandantin die Wahrheit sage.
Ein körperlicher sexueller Angriff
"Es gibt keine Möglichkeit, dass es einen Aspekt dieses Vorfalls gibt, der in irgendeiner Weise als einvernehmlich aufgefasst werden könnte", sagte Shapiro. "Dies ist nichts anderes als ein körperlicher sexueller Angriff dieses Mannes auf diese junge Frau."
Strauss-Kahn ist wegen sechs verschiedener Straftaten angeklagt: Die schwerwiegendste ist sexueller Missbrauch in einem besonders schweren Fall. Hier ist er gleich in zwei Fällen angeklagt. Dafür drohen ihm 25 Jahre Haft. Er soll am Samstag ein Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel überfallen und bedrängt haben. "Er griff dem Opfer ohne Einwilligung an die Brust, versuchte, die Strumpfhose herunterzuziehen, und griff ihm in den Schritt. Sein Penis hatte gewaltsam zweimal Kontakt mit dem Mund des Opfers", heißt es in der Anklageschrift. Der Franzose soll während des Angriffs in der 3000-Dollar-Suite völlig nackt gewesen sein.
"Ihre Welt hat sich total auf den Kopf gestellt", sagte Shapiro. Sie hat große Angst um ihre Zukunft." Die 32-Jährige ist laut CNN eine allein stehende Mutter, die vor ein paar Jahren aus dem westafrikanischen Guinea in die USA eingewandert sei. Sie arbeite seit mindestens zwei Jahren in dem Sofitel am New Yorker Times Square, in dem sich der Angriff abgespielt haben soll.
Zum ersten Mal äußerte sich auch ein Mitglied der US-Regierung zu dem Skandal. US-Finanzminister Timothy Geithner erklärte, Strauss-Kahn sei "offensichtlich nicht in der Lage", den Internationalen Währungsfonds zu führen. Geithner erklärte am Dienstag, er könne sich nicht zu den Ermittlungen äußern. Allerdings sollte der IWF-Vorstand formell einen Direktor für die Übergangszeit ernennen. Bisher hat Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky die Aufgaben des Chefs übernommen.
Warnung einer früheren Geliebten
Eine frühere Geliebte von Strauss-Kahn warnte den Internationalen Währungsfonds vor drei Jahren in einem Brief vor dem Verhalten des IWF-Chefs gegenüber Frauen. Die Zeitung "New York Times" veröffentlichte einen Auszug aus dem Brief, den die ehemaligen IWF-Mitarbeiterin Piroska Nagy schrieb, die 2008 eine Affäre mit Strauss-Kahn hatte. Darin erläuterte sie, Strauss-Kahn habe ihr aggressiv nachgestellt. Die Ungarin Nagy hatte nach Bekanntwerden der Affäre den IWF verlassen und eine Stelle bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung angetreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“