■ Straßmanns kleine Warenkunde: Der Blutknopf
Was ich kann, können leider nicht alle. Ich blicke dem Todgeweihten in die Pupille, was sehe ich? Einen Galgen! Ich blicke dem Niedergeschlagenen in die Pupille, was sehe ich? Einen zerrissnen Arbeitsvertrag. Ich blicke einer geräderten Frau in die Pupille, was sehe ich? Einen Tampon. Das sieht lange nicht jeder, und darum gibt es soviel Elend, Streit und Mißverständnis in der Welt.
Der Japaner weiß das schon lange. Wo der Japaner ein Problem sieht, schlägt er zu. Wie neulich bei der ADAC-Pannenstatistik. Japan-Autos gaaanz miserabel. Also schlug der Japaner zu, und nu: Alle Reisschüsseln top. Ganz oben! Und außerdem ist der Japaner diskret. Darum erfand er den Blutknopf.
Fragen Sie mal eine Frau: „Hasse deine Tage?“ Das kann ganz böse ins Auge gehen. „Mobbing“ ist noch der mildeste Rüffel. Und spricht die Frau zum Manne: „Ich habe meine Happy Days“ – kriegt sie entweder ein Konterlamento oder weiß sich den ganzen Tag vor Anspielungen nicht zu lassen.
Der Japaner aber hat für die Frau den Blutknopf. Winzig, unaufdringlich, aber mahnend: Laßt mich heute was in Ruhe, mir geht's nicht so, wat mutt dat mutt, außerdem bin ich selbst in diesem Zustand noch zehnmal so fit wie ein Kerl, glotz nicht! Das ist die diskrete Art des Japaners, ein Thema anzugehen, ohne es der Bequatschbarkeit auszuliefern.
Soeben kommt die Große Göttin Mutter rein und beglückwunscht mich zu meinem Text über den Blutknopf. „Hätte ich nicht besser schreiben können, echt,“ gurrt sie und tätschelt meinen Hinterkopf. „Sowieso finde ich deine Art, Frauenthemen anzugehen, klasse, das erheitert mich und stabiliret meine souveraineté.
Zur Belohnung brauchst du die nächsten zehn Jahre nie mehr dieses oberhäßliche Geschlechtsneutral-I benutzen, das die taz erfunden hat und verschiedene Gewerkschaften in ihren Publikationen nachahmen. Duckt damit die Machos, quält die Weicheier, okay okay. Aber du bist jetzt frei!“ Sie gibt mir noch einen kumpelhaft auf den Ischias und zischt ab (auf Besen).
Ich aber bin doch ziemlich verdattert und rechne mit Schwierigkeiten... Verpassen Sie, lieber Leser, keinesfalls die nächste Ausgabe der „Kleinen Warenkunde“!
Burkhard Straßmann
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