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■ Straßmanns kleine WarenkundeDie Geldbörse

Wie jeder sogleich einsehen wird, bin ich ein Dogmatiker, ein orthographischer Feigling und schiebe ich Kolumnen vor, um in Wirklichkeit öffentlich lamentieren zu können. Oder wissen Sie ein Blatt, das „Straßmanns kleines Lamento“ wöchentlich drucken würde? (Falls ja: ruhig faxen, 0421/73622.) Aber vielleicht merkt es ja wieder kein Schwein.

Wenn ein Tramper bei mir einsteigt, taste ich instinktiv nach meiner Geldbörse. Ich gleichen Moment weiß ich, daß jetzt der Tramper weiß, wo meine Geldbörse ist. Aber machen Sie mal was gegen Instinkte! Der Tramper also läßt sich in die Polster plumpsen und fängt an zu stinken. Nach Urin! Trampen und nach Urin stinken halte ich für einen Angriff auf meine Menschenwürde. Aber noch nie habe ich einen Tramper an die Luft gesetzt. (Einer stinkenden Tramperin allerdings habe ich schon mal vorgelogen, hier sei ich zu Hause.) Der Tramper neben mir ist jung und ansonsten nicht unsympatisch. Prostata? In dem Alter? Oder doch mit dem Mittelstrahl des Morgenurins eingerieben gegen eine kleine Schuppenflechte? Ob er gar wie Carmen Thomas aus dem Mund stinkt? Mein Oppa (wie man in Wuppertal sagt) hatte Prostata und rauchte Zigarren. Womöglich war der junge Mensch neben mir bei Oppa, der Prostata hat und Zigarren raucht? Regen klatscht durchs geöffnete Fenster auf mein Handgelenk. Ich taste nach der Geldbörse.

Im Alter dieses stinkenden Trampers wußte ich schon, wie man Shakespeare schreibt. Leider weiß ich bis heute nicht, wie man Portemonaise schreibt. Ich spreche zwar davon, schreibe aber Geldbörse. Meiner Meinung nach darf eine Geldbörse nie teurer sein als das Geld, was drin steckt. Dieser Satz ist ein typisches Beispiel für eine astreine Suggestion. Klingt enorm logisch, hält aber nicht der allerkleinsten Reflexion stand. Tatsächlich gibt es zwischen dem Preis der Geldbörse und ihrem Inhalt keinerlei Beziehung, wovon sich jeder beim Autor dieser Zeilen überzeugen kann. Wer also auf obigem Satz besteht, ist ein Dogmatiker. Also ich.

Die schwer blonde Katja übrigens, die schon aus Duftgründen hier gar nicht auftauchen sollte, weist zurecht darauf hin, daß es doppelt ärgerlich ist, eine volle und dazu teure Geldbörse zu verlieren. Ihr Rat: Man benutze für die Scheine ein unauffälliges, abgeschabtes Döschen, in dem normalerweise die Blättchen für die Joints aufgehoben werden. So ein Döschen hat sie mal nach anderthalb Tagen unangerührt wiedergefunden. Wobei ich das Wort Döschen einfach zu gern geschrieben sehe. Im Gegensatz zu anderthalb. In dem Döschen liegt ein Höschen, drauf ein Röschen – welch schweres Löschen!

Burkhard Straßmann

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