piwik no script img

Straßenschlachten in Mazedonien

■ Vier Tote in Skopje bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und albanischer Minderheit/ Schwere Kämpfe in allen Teilen Bosnien-Herzegowinas/ Britische UNO-Blauhelme erwidern erstmals das Feuer

Ohrid (taz) — Vier Tote und Dutzende Schwerverletzte sind die traurige Bilanz einer Straßenschlacht zwischen Albanern und Sicherheitskräften in der mazedonischen Hauptstadt Skopje am Wochenende. Im mehrheitlich albanisch bewohnten Bazarviertel war es am Freitagnachmittag zu einer Polizeirazzia gekommen, in deren Verlauf der 15jährige Albaner Ali Sejdiu fast bewußtlos geschlagen wurde. Der Schüler wollte vier Zigarettenstangen verkaufen, als eine schwerbewaffnete Polizeistreife ihn kontrollieren wollte. Nach einem kurzen Handgemenge löste sich aus der Pistole eines der drei Polizisten ein Schuß. Die Menschen im Bazar griffen daraufhin die Sicherheitskräfte an. In den folgenden Stunden wurden Geschäftsauslagen geplündert, Polizeifahrzeuge in Brand gesetzt. Nach Augenzeugenberichten sperrten dann etwa tausend Polizisten das Viertel ab, mit Tränen- und Reizgas ging man gegen die Demonstranten vor, von der Schußwaffe wurde Gebrauch gemacht. Nach Berichten aus den örtlichen Krankenhäusern sollen drei der etwa 20 eingewiesenen Personen in akuter Lebensgefahr schweben.

Wer in diesen Tagen durch Mazedonien reist, spürt Spannungen zwischen Albanern und Mazedoniern auf Schritt und Tritt. Auch in Ortschaften mit bis zu neunzigprozentigem albanischen Bevölkerungsanteil gibt es keine zweisprachigen Aufschriften, keine albanischsprachige Mittelschulen, keine Lokalzeitungen oder lokale Radioprogramme. Roland Hofwiler

Kämpfe in Bosnien: Blauhelme schießen zurück

Sarajevo/Zagreb (dpa/AFP) — Schwere Kämpfe auf breiter Front tobten gestern in weiten Teilen Bosniens. Erstmals wurde am Samstag ein Angriff gegen UNO- Friedenstruppen mit gezieltem Gegenfeuer beantwortet. Wie das britische Verteidigungsministerium in London erklärte, seien vier Aufklärungsfahrzeuge in der Umgebung der Industriestadt Tuzla von unbekannter Seite aus Mörsern und automatischen Waffen beschossen worden. Daraufhin hätten die britischen Blauhelme das Feuer erwidert.

Die schwersten Kämpfe tobten gestern nach übereinstimmenden Berichten des serbischen und bosnischen Rundfunks in der Herzegowina im Süden Bosniens. Dort waren moslemisch-kroatische Verbände offenbar zu einem großangelegten Angriff gegen die Serben- Hochburgen Trebinje und Nevesinje angetreten. Im Gegenzug eröffneten serbische Truppen schweres Artilleriefeuer auf die Herzegowina-Hauptstadt Mostar. Nach Berichten der Belgrader Agentur Tanjug protestierte der Kommandeur der serbischen Truppen in Trebinje bei den UNO-Friedenstruppen wegen der offenbar erfolgreichen Angriffe der moslemisch-kroatischen Verbände und drohte, gegnerische Dörfer und Siedlungen „als angemessene Antwort“ zu beschießen.

Die serbische Militärführung in Bosnien-Herzegowina hat sich am Samstag geweigert, Korridore zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung von Sarajevo zuzulassen. Das verlautete aus Kreisen der UN-Schutztruppen (UNPROFOR). UNPROFOR-Sprecher Milan Gvero wertete dies als „große Enttäuschung“. Ein Treffen der moslemischen, serbischen und kroatischen Militärführer Bosnien-Herzegowinas habe zu keinem Ergebnis geführt.

Nach Korrespondentenberichten versperrten bewaffnete Militärpolizisten am Samstag den 200 kroatischen Flüchtlingen den Weg, die sich in Richtung „Niemandsland“ außerhalb Sarajevos aufgemacht hatten. Die Menschen konnten ohne Waffengewalt dazu bewegt werden, in die Stadt zurückzukehren. Zuvor hatte der bosnische Präsident Alija Izetbegovic allen wehrfähigen Männern im Alter von 18 bis 60 Jahren verboten, die von den Serben belagerte Stadt zu verlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen