Strafanzeige von Dortmund-Fan: Pfeif-Angriff aus Hoffenheim
Nach dem akustischen Angriff auf Dortmunder Fans in Sinsheim ermittelt die Polizei. Die TSG Hoffenheim gibt sich unwissend – doch der erste Angriff war das nicht.
SINSHEIM taz | Alexander Waldi soll seit diesem Sommer herausfinden, warum es bei der TSG Hoffenheim so viele interne Streitigkeiten gibt und wieso das Image des Klubs nach außen so schlecht ist. Herr Waldi hat also viel zu tun. Der Mann war zuvor bei dem von Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp mitgegründeten Software-Unternehmen SAP tätig. Waldi solle bei der TSG mithelfen, Defizite aufzuarbeiten, erklärte Hopp jüngst. Der Klub hat vor, endlich wieder positive Schlagzeilen zu schreiben.
Mit dem neuen Trainer Holger Stanislawski, der zuvor in 18 Jahren beim FC St. Pauli zum bundesweit beliebten "Stani" wurde, hat man ein neues Gesicht als Vorturner installiert. Und der "Stani", der in "Hoffe" den "Kloppo" geben soll, hat mit dem Sieg gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag ein positives Ausrufezeichen gesetzt. Doch das ist auch schon wieder fünf Tage her und in Fußball-Deutschland redet darüber niemand mehr. Stattdessen steht der Klub so mies da wie noch nie.
Was wie eine unglaubliche Geschichte aus dem kabarettistischen Anekdotenschatz der Bundesliga klingt, ist indes kein Spaß mehr. Seit Montag liegt eine Strafanzeige eines BVB-Fans aus Pforzheim, der einen Tinnitus erlitten haben soll, vor. Die Polizei in Heidelberg ermittelt.
Schon direkt nach dem Spiel am Samstag hatten sich BVB-Fans in Internetforen beschwert, dass immer dann schrille Töne zu hören waren, wenn sie Schmähgesänge in Richtung Dietmar Hopp anstimmten. Im Laufe des Montags wurde eine Lautsprecheranlage identifiziert, aus der die Töne gekommen waren - eine beistelltischgroße Anlage, die vor dem Gäste-Block installiert und mit Strom versorgt worden ist.
Absichtlich installiert?
In BVB-Fan-Kreisen wurde der Verdacht geäußert, 1899 Hoffenheim habe diese Anlage absichtlich installiert, zumal einige Fans schon drei Stunden vor dem Spiel einen Soundcheck mit den nervigen Tönen gehört haben. In einer offiziellen Stellungnahme am Sonntag wies der Klub diese Sichtweise harsch zurück. Und Dietmar Hopp erklärte der Rhein-Neckar-Zeitung: "Wer mich 90 Minuten lang permanent beleidigt, sollte nicht so empfindlich reagieren. Wenn die BVB-Fans Anzeigen erstatten, müsste ich 200 Anzeigen wegen Beleidigung erstatten."
Beleidigungen ärgern den Mäzen, der mit mehr als 200 Millionen Euro den Aufstieg des Klubs in die Bundesliga alimentierte. Nach dem Erstligaaufstieg wurde sein Verein in Fankreisen als Retortenklub wahrgenommen und er selbst von gegnerischen Anhängern übel beleidigt. Hopp stellte schließlich Strafanzeige gegen einen Dortmunder Fan, der ein Plakat in die Höhe gehalten hatte, das den Milliardär im Fadenkreuz zeigte.
Am späten Montagabend erklärte der Klub in der aktuellen Affäre, ein Mitarbeiter habe die Aktion während des Dortmund-Spiels am Samstag gestanden. Der Mann habe die Anlage eingesetzt, weil er "ein Gegenmittel gegen die aus seiner Sicht nicht mehr erträglichen Beleidigungen gegen Dietmar Hopp" einsetzen wollte. Weder die Vereinsführung noch Hopp hätten davon gewusst.
Der Mann sei sich der Tragweite seiner Handlung nicht bewusst gewesen und die Aktion hätte auch einen eher scherzhaften Charakter haben sollen. Lachen kann der Mann, der im Facility-Management arbeiten soll, nicht mehr so schnell. Die TSG hat arbeitsrechtliche Schritte gegen ihn eingeleitet, die Ermittlungen der Polizei laufen. Mittlerweile sind zehn weitere Anzeigen bei der Heidelberger Polizei eingegangen.
Nicht der erste Schallangriff
Angesichts des logistischen Aufwands steht weiter die Frage im Raum, ob der Mann tatsächlich als ein Einzeltäter gehandelt hat. Zumal es nicht der erste Schallangriff war. Inzwischen hat die TSG auf Nachfrage eine Pressemitteilung nachgeschoben, aus der hervorgeht, dass die "genannte Apparatur bereits bei vier Spielen während der vergangenen Saison aufgebaut, wohl aber nicht immer zum Einsatz gebracht wurde". Es geht um die Spiele gegen Dortmund, Mainz, Köln und Frankfurt.
Der DFB-Kontrollausschuss verlangt nun eine Stellungnahme der TSG Hoffenheim. Das Image des Klubs jedenfalls wird so schnell nicht besser werden, die Schmährufe gegen Dietmar Hopp womöglich eine Renaissance erleben. Nicht nur Herr Waldi hat im Kraichgau derzeit viel um die Ohren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen