Stradivari wiederbeschafft: Tippgeber geht leer aus
Weil er der Polizei bei der Fahndung nach einer gestohlenen Stradivari-Geige half, hat ein Mann auf Vergütung geklagt - erfolglos.
HANNOVER taz | Wichtig waren die Tipps des Verbindungs-Manns (V-Mann) zweifelsohne, Geld soll er dafür aber nicht bekommen. Um 150.000 Euro Vergütung hat ein Mann vor dem Landgericht Hannover geklagt weil er bei der Fahndung nach einer gestohlenen Stradivari-Geige mitgewirkt hat. Ohne Erfolg: Das Gericht wies die Klage am Donnerstag ab.
2008 war das edle Instrument, 1721 erbaut, bei einem Einbruch im Rittergut Benningsen nahe Hannover gestohlen worden. Marktwert: 1,5 Millionen Euro. Auch Antiquitäten und Silberwaren - ebenfalls im Wert von 1,5 Millionen Euro - zählten zur Beute. Ein gutes Jahr ermittelte die Polizeidirektion Hannover, dann stellte sie das Diebesgut bei einem Scheinkauf sicher.
Und eben den will der Kläger als V-Mann der Polizei eingefädelt haben. "Keiner außer mir ist an die Stradivari rangekommen", sagte er vor Gericht. Weder Namen, Alter noch Beruf möchte er in der Öffentlichkeit preisgeben. Das schüttere Haar zum Zopf gebunden, Narben im Gesicht, schwarze Absatzstiefeletten, zwei Bodyguards - bei der Verhandlung seiner Klage Mitte März tritt er als Szenekenner auf.
160.000 Euro Belohnung hat er von der Versicherung der Stradivari bereits bekommen. "Für 160.000 Euro", sagt der Kläger, "riskiere ich doch nicht mein Leben." Fünf Prozent des Wertes des Diebesguts fordert er zusätzlich als Vergütung von der Polizei. Und beruft sich auf die Tarifordnung zur Bezahlung von verdeckten Ermittlern. Als solchen will die Polizei Hannover ihn aber nie geführt haben.
"Die Geschichte hat sich angebahnt wie bei einem V-Mann", sagt sein Anwalt. In Süddeutschland sei die Stradivari seinem Mandanten angeboten worden. Der war zuvor mehrfach als V-Mann für die Polizei in Schwaben tätig - und auch in diesem Fall hat er die Polizei dort kontaktiert. Die vermittelte ihn weiter an die Ermittler in Hannover, es folgte der Scheinverkauf. "Für meinen Mandanten war völlig selbstverständlich, dass er entlohnt wird", sagte der Anwalt.
Laut niedersächsischer "Richtlinie über die verdeckte Informationsgewinnung" sind V-Leute im Gegensatz zu verdeckten Ermittlern keine PolizeibeamtInnen, sondern Privatpersonen, "deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird".
Eine gesetzliche Regelung zum Einsatz von V-Leuten gibt es nicht.
Umstritten ist, inwiefern V-Personen als "Agent Provocateur" eingesetzt werden dürfen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass dies nur beim starken Verdacht eines schwerwiegenden strafbaren Verhaltens gerechtfertigt ist.
Die Vergütung von V-Personen regeln die "Allgemeine Grundsätze zur Bezahlung von V-Personen und Informanten", eine vertrauliche Liste des Bundeskriminalamtes.
Ganz anders sieht das die Polizeidirektion Hannover: Man habe den Kläger zwar in die Ermittlungen eingebunden, sagt ihr Verteidiger, ein V-Mann-Vertrag sei aber nie geschlossen worden. In Polizeiprotokollen heißt es, der Kläger sei gebeten worden, Verkaufsverhandlungen zu führen. Über eine V-Mann-Vergütung steht dort nichts. "Ich arbeite seit 30 Jahren in diesem Geschäft", sagte der Kläger, "ich habe vorher nie gefragt, was ich bekomme."
Genau das hätte aber der Fall sein müssen, begründet die dritte Zivilkammer des Landgerichts ihre Entscheidung von Donnerstag. Ohne Vereinbarung - ob schriftlich oder mündlich - kein Geld. "Einen allgemeinen Grundsatz, dass Personen, die der Polizei helfen, Geld bekommen, gibt es nicht", sagt ein Gerichtssprecher, "sonst müsste man ja jeden Zeugen bezahlen".
Zur Verkündung des Gerichtsentscheids sind weder der Kläger noch sein Anwalt erschienen. Auch auf Nachfrage möchten sie sich nicht äußern. Eines aber hat der Tippgeber schon bei der Verhandlung vor drei Wochen klargestellt: "Hätte ich das alles vorher gewusst, hätte ich die Stradivari kaputt gehauen."
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