Stoppschild im Internet

WEBSEITEN Union und Sozialdemokraten haben im Bundestag das Gesetz zur Sperrung von Kinderpornografie beschlossen. Die taz erklärt die Konsequenzen des Regelwerks

Die Sperrgegner wollen, dass Kinderporno-Seiten direkt gelöscht werden

VON CHRISTIAN RATH

Was soll künftig gesperrt werden?

Alle Inhalte, die in Deutschland als Kinderpornografie im Strafgesetzbuch verboten sind.

Wer entscheidet, welche Seiten konkret gesperrt werden?

Das Bundeskriminalamt stellt die Sperrliste zusammen und aktualisiert diese täglich.

Wer führt die Sperren durch?

Alle Firmen, die in Deutschland Zugang zum Internet anbieten und mehr als 10.000 Kunden haben – zum Beispiel T-Online –, sind verpflichtet, die BKA-Sperrliste umzusetzen.

Wie funktionieren die Sperren?

Das Gesetz schreibt keine konkrete Technik vor, deshalb werden die Provider die einfachste und billigste Sperrtechnik wählen. Angesetzt wird dann an den Domain-Name-Servern (DNS) der Firmen. Diese übersetzen normalerweise Domain-Namen (wie die erfundene Seite www.lolita.net) in IP-Adressen (z. B. 195.44.5.25). Wenn www.lolita.net aber auf der BKA-Sperrliste steht, wird der Kunde, der die Seite aufrufen will, nicht dorthin weitergeleitet. Stattdessen wird er automatisch auf eine Stoppseite mit Erläuterungen zur Internetsperre geführt.

Können solche Sperren umgangen werden?

Ja, sogar recht einfach. indem man nicht den DNS-Server des eigenen Providers verwendet, sondern einen nichtzensierten DNS-Server, etwa im Ausland. Die Koalition spricht deshalb nur noch von Zugangserschwerung. Sie will mit der Maßnahme vor allem Gelegenheitsnutzer von Kinderpornografie abhalten.

Was passiert mit Surfern, die auf eine Kinderporno-Stopp-Seite geraten?

Nichts. Zwar werden an der Stoppseite die IP-Adressen der Surfer registriert. Diese dürfen jedoch nicht für die Strafverfolgung benutzt werden, obwohl Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) dies wollte. Das Gesetz enthält jetzt ein ausdrückliches Nutzungsverbot, weil sonst auch Surfer, die mit fingierten Spammails auf eine Kinderpornoseite gelockt werden, mit einem rufschädigenden Ermittlungsverfahren rechnen müssten.

Wie viele Kinderporno-Seiten gibt es im Internet?

Die Bundesregierung behauptet, ein Großteil der Kinderpornografie werde über kommerzielle Websites vertrieben. Sie konnte das aber nie belegen. Vermutlich gibt es nur noch wenige frei zugängliche Seiten, weil sich die pädokriminelle Szene in den letzten Jahren in geschlossene Nutzergruppen und Handy-Tauschringe zurückgezogen hat. Kritiker sehen in dem Gesetz vor allem ein Wahlkampfmanöver der Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Warum sind in Skandinavien dann tausende von Seiten gesperrt?

Dies liegt vermutlich daran, dass dort auch Darstellungen der Sexualität mit Jugendlichen über 14 Jahren als „Kinderpornografie“ gelistet werden. In Deutschland soll nur echte Kinderpornografie auf die Sperrliste.

Fordern die Kritiker den freien Zugang zu Kinderpornografie?

Nein, sie wollen, dass Kinderporno-Seiten, so es sie überhaupt gibt, direkt beim Hostprovider im Ausland gelöscht werden. Dies sei effizienter, als nur den Zugang dorthin zu erschweren. Sie wollten deshalb das BKA verpflichten, alle entdeckten Kinderporno-Seiten sofort den Hostprovidern zu melden. Die Einrichtung einer „Sperr-Infrastruktur“ sei dann überflüssig.

Wen muss das Bundeskriminalamt nun über Kinderporno-Seiten informieren?

Das BKA muss laut Gesetz nur ausländische Polizeibehörden informieren, nicht die Provider, bei denen die Seiten lagern. Bei Seiten aus Staaten der Europäischen Union muss vor einer Sperrung abgewartet werden, ob die dortige Polizei eine Löschung durchsetzen kann. Außerhalb der EU genügt es, wenn die Polizei parallel zur deutschen Sperrung informiert wird.

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