: Stoppelkunde
Bis zu einen halben Millimeter sprießen die 7.000 bis 15.000 Barthaare am Tag. Ein Leben lang. Für Männer, die im Gesicht keine Haare haben wollen, heißt das: rasieren. Das macht nicht nur Arbeit. Es verursacht auch laufende Kosten. Bloß: Wie soll man es tun? Trocken und elektrisch? Oder nass und von Hand?
Elektrorasierer: Je nach Modell kann man dafür 20 bis 270 Euro anlegen. Grundsätzlich konkurrieren zwei Systeme: das rotierende Dreifachschersystem (Philips) und der schwingende Klingenblock mit darüberliegender Scherfolie (Braun, Grundig, Panasonic, Remington). Doch die Unterschiede gehen weiter. Will man zum Beispiel neun oder lieber fünfzehn Rasiermesserchen je Kopf haben? Wie beweglich sollen Scherköpfe oder Scherkragen sein? Darf es noch ein integriertes Integralmehrfachschersystem sein (Braun)? Wie hoch soll die Akkulaufzeit sein? Soll ein Selbstreinigungssystem in die Ladestation integriert sein (Braun Activator 8595)? Dabei stellt man den Rasierer auf den Kopf und kann dessen Schersystem in einer Alkohollösung reinigen (lassen). Es gibt auch wasserdichte Modelle, die man unter einen Wasserhahn halten kann – etwa den Cool Skin von Philips (149 Euro) – oder die per Knopfdruck besänftigenden Balsam auf die Haut auftragen.
Mit der Anschaffung allein ist es leider nicht getan. Ein rotierendes Schersystem hält etwa zwei bis drei Jahre, ein Scherfoliensystem 18 Monate. Und auch das nur bei guter Pflege. Dann fallen erneut Kosten an: 45 Euro für den Austausch des dreiteiligen Scherkopfsystems oder rund 25 Euro für Scherfolie und Klingenblock bei den übrigen Systemen.
Nassrasierer fahren in der Anschaffung günstiger. Die Apparate selbst gibt es für unter 10 Euro. Allerdings fallen regelmäßige Kosten für Rasierschaum an. Und natürlich für die Ersatzklingen, denn die einzelne Klinge hält meist nur wenige Tage. Aus früher üblichen Doppelklingen sind inzwischen Dreifach- oder gar Vierfachklingenköpfe geworden. Wer die stetigen Ausgaben minimieren möchte, kann den Umgang mit dem Rasiermesser erlernen. Diese gibt es ab etwa 35 bis deutlich über 100 Euro. Wer einmal ein Messer hat und dieses gut pflegt (reinigen und regelmäßiges Abziehen mit dem Leder), der kann es lange benutzen, ehe es zum Nachschleifen muss. In der Zwischenzeit fallen nur Kosten für Rasierseife an. Und für Alaunstifte – gegen die Blutungen.
Selbst in der Klingenstadt Solingen ist die Zahl derer, die Rasiermesser herstellen und schleifen, überschaubar geworden. Die Firma Dovo gilt zwar als weltweiter Marktführer, Geschäftsführer Jürgen Stremmel hat dennoch Grund zur Klage. Der Weltmarkt sei in den 80er-Jahren so klein geworden, dass es heute Nachwuchsprobleme bei den Rasiermesserschleifern gibt. Ohne die läuft aber nichts, denn Rasiermesser sind keine Automaten- oder Massenware. „Jeder Schmiederohling“, so Stremmel, „wird individuell geformt und bearbeitet.“ Und dazu bedarf es auch eines erfahrenen Schleifers. Immerhin: In jüngster Vergangenheit erlebt das Rasiermesser eine Renaissance. Habe Dovo in den 80ern nur rund 7.000 Messer im Jahr verkauft, sei diese Zahl heute wieder auf 25.000 angestiegen. Damit arbeitet Dovo an der Kapazitätsgrenze. Und tut auch was für den Schleifernachwuchs. Stremmel: „Wir versuchen zurzeit, mit zwei jüngeren Mitarbeitern in der Ausbildung, die Kunst in die Zukunft zu retten.“
Unter www.nassrasur.com finden sich keine 30 Adressen im Bundesgebiet, wo man sich noch professionell mit dem Messer rasieren lassen kann. Zwar beteuert Rainer Röhr, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, dass der Umgang mit dem Rasiermesser noch immer Teil der dreijährigen Friseurausbildung sei. Doch er räumt ein, dass die entsprechenden Fertigkeiten in vielen Salons „ausbaufähig“ seien. Nicht zuletzt mangels Nachfrage. Es wäre freilich auch ein teures Vergnügen, für jede Rasur zum Barbier zu gehen. KH