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Archiv-Artikel

zwischen den rillen Stop & go an der Diskursfront

Abseits der musikalischen Hauptströme spielen JaKönigJa und Braun auf ihren neuen Alben mit Titeln und Namen

Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der an der Uni Hamburg bei Ebba Durstewitz die Lehrveranstaltung „Das Fantastische in portugiesischen Erzähltexten des 20. Jahrhunderts“ besucht. Sonst bildet Durstewitz mit Jakobus Siebels das Duo JaKönigJa, das, von ein paar Gästen unterstützt, jetzt sein erstes Album seit fünf Jahren vorlegt, und die Musik klingt so überwältigend, dass man sogar bei dem Seminar unbedingt dabei sein möchte, nur um eine Durstewitz-Performance zu sehen.

Wer gelangweilt ist von den Konsens-Platten, die die Hauptströme so massenhaft anspülen in Indie-Land, findet Trost bei den erhabenen und glanzvollen Liedern, die uns JaKönigJa mit, unter anderem, Mandoline, Marimbafon, Posaune und Flöten angerichtet haben. Bei dieser Musik „stellt sich ein feierliches Fühlen ein“, um eine Zeile aus dem Song „Aus meinem Haus“ zu zitieren. Alle Beteiligten haben die Schlüsselwerke großer angloamerikanischer und brasilianischer Songwriter und Arrangeure intus. Man hört Brian Wilson heraus, Stereolab sowie die High Llamas, bei denen JaKönigJa schon als Vorgruppe aufgetreten sind. Sucht man Spuren in der Vergangenheit deutscher Popmusik, landet man auf Umwegen bei Manfred Krug (dem Sänger, nicht der TV-Figur Krug!), der in den frühen Siebzigern zwei grandios orchestrierte Alben einspielte, sowie den Zimmermännern, die zehn Jahre später Streicher und Flöten einsetzten, was völlig ungewöhnlich für eine Band war, die sich im Hamburger Post-Wave-Umfeld tummelte. Ihr Gründungsmitglied Detlef Diederichsen brachte JaKönigJa einst auf seinem Label heraus, und hier mischt er als Gastmusiker mit.

Auch wenn sich unschwer benennen lässt, worauf sich die Platte bezieht: Musik wie diese hat es bisher noch nicht gegeben. Da liegt auch an der Sprache, die Ebba Durstewitz gefunden hat – sie mutet altertümlich und frisch zugleich an –, sowie ihren äußerst abwechslungsreichen Gesangs-Arrangements. „Flaschengeist“ etwa beginnt mit den kinderliedartig gesungenen Zeilen „Du glänzt von Rätseln und Gelächtern / In dir schwimmt es sich sehr gern / Das Glück riecht ungefährlich / Das habe ich von dir gelernt“, um dann in einem jazzigen Refrain zu kulminieren: „Und die einzige Angst, die mich umtreibt / Die ist: Du bist ein Flaschengeist“. Nicht zu unterschätzen auch der Coup, das Album „Ebba“ zu nennen. Um eine Platte nach einem Gruppenmitglied zu benennen, muss man schon ziemlich souverän sein. Steely Dan etwa waren nie cool genug, eine ihrer Platten „Donald“ oder „Walter“ zu nennen.

Ein Stück zu dieser Strategie beschließt die Platte: dieses die Vertonung eines Gedichts des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa (1888–1935). Der hat sich in mehr Autoren-Ichs aufgespalten als jeder hyperaktive Techno-Tausendsassa. Für verschiedene Genres (Prosa, Lyrik, Philosophisches) benutzte er mehrere, mal kurz-, mal langlebige Pseudonyme, wobei er manche Werke im Laufe ihrer Entstehungsgeschichte verschiedenen Schriftsteller-Ichs zugeschrieben hat.

Das Spiel mit Namen und Titeln ist auch bei Braun (And The Mob) von Bedeutung. Oliver Braun, der sich als Musiker bisher Beige nannte, bezieht sich mit seiner dritten LP explizit auf seinen All-Time-Favourite: die Agitprop-Dub-Platte „As the Veneer of Democracy starts to fade“, die Mark Stewart and the Maffia vor 20 Jahren veröffentlichten. Braun hat diesen Titel übernommen, „democracy“ durch „dumbness“ ersetzt sowie, inspiriert von„the maffia“, in seinen Projektnamen „the mob“ eingebaut. Statt Dub zersetzt er Funk, und während Stewart gegen den Sozialabbau wütete, nimmt sich der Kölner Frickler auf unernste Weise der Dummheit im HipHop an. Mit Titeln wie „da schmonked starlet (uh baby – ah ah ah!)“ oder „survival of the dumbest (da revenge of merzenich …)“ vergackeiern Braun und seine Mobster – Sängerinnen, Sänger, Saxofonisten, Trompeter – protzige und softpornografische Posen.

Der Funk auf „As the Veneer of Dumbness starts to fade“ ist fahrig geraten. Braun verzögert gern, zuweilen drängt sich der Begriff Stop-and-go-Musik auf (wobei es nach einem Halt meistens in eine überraschende Richtung geht). Als Zuhörer fühlt man sich wie eine Katze, die ein Spielzeug vor die Nase gehalten bekommt, aber langsam durchdreht, weil es immer wieder im letzten Moment weggezogen wird. Kein Wunder, dass die häufigste Reaktion von Mithörern lautet: „Mach das aus, ich krieg ’nen Herzinfarkt!“ Zu schätzen weiß man die Hektik dagegen in Japan, dortige Veranstalter haben Braun schon mehrmals zu einer Tournee zu überreden versucht. Noch ziert sich der Künstler („Ich bin auf der Bühne ein ausgemachter Langweiler“), aber bis Ende des Jahres soll ein Live-Konzept stehen. RENÉ MARTENS

JaKönigJa: Ebba (Buback Tonträger/ Indigo); Braun (And The Mob): As the Veneer of Dumbness starts to fade (Nonplace/Groove Attack)