: Stoltenberg will zur Unzeit verkaufen
■ Privatisierungspläne bekräftigt / VW–Aktie sitzt jedoch tief im Keller
Berlin (dpa/taz) - Die gute Miene zum bösen Börsenspiel, die Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg zur allseitigen Beruhigung an den Tag legt, dürfte sich insgeheim verfinstern, wenn er seine Privatisierungspläne in die Tat umsetzt. Den Willen dazu bekräftigte er zum Wochenbeginn auf dem traditionellen Herbsttreffen mit den Führungen der Bundesunternehmen in Berlin erneut. Sein Problem: Die Beteiligungen des Bundes an privaten Unternehmen, die zum Verkauf anstehen, sind zur Zeit nichts wert. Gespannt wartet die Spekulantenwelt vor allem auf den Zeitpunkt, an dem die restliche Beteiligung des Bundes am Volkswagen konzern (16 Prozent) verkauft wird. Stoltenberg am Montag: „Demnächst“. Ursprünglich hatte er die erste Novemberwoche angepeilt. Inzwischen hört man von Zweifeln im Bundesfinanzministerium, ob es angesichts der Aktienlage überhaupt geht. Als miserabler Spekulant hat Stoltenberg jedenfalls den Zug verpaßt. Die VW–Aktie, die Mitte vergangenen Jahres ihren Höchstkurs von 686 DM hatte, sitzt jetzt im 2. Kellergeschoß bei 311 DM. Druck macht darüberhinaus die VW–Belegschaft, deren Betriebsrat die Privatisierungspläne als „Mißachtung der demokratischen Rechte der Belegschaft“ betrachtet. Wenn schon, dann solle Stoltenberg seine 16 Prozent lieber in einen Belegschaftsfonds überführen, der den Arbeitnehmern auch mehr Gewicht im Aufsichtsrat einbringen könnte. Stattdessen wolle er sie privaten Großanlegern und Banken überlassen, die nach dem Wunsch Bonns nur „Druck bei VW ausüben“ sollten. Im Gespräch hinsichtlich eines Großeinstiegs bei den Wolfsburgern ist der Ford–Konzern, mit dem man in Südamerika bereits seit vergangenem Jahr kooperiert. Besitzer von VW–Aktien fragen sich im Zusammenhang mit den Privatisierungsplänen zwei Dinge: Wird oder kann Stoltenberg gezielte Kurspflege betreiben? Geeignete Nachrichten zur rechten Zeit wären da ein Weg, die Aktie nach oben zu pushen oder auch ein gezielter und gut getimter Zukauf mittels eines geeigneten Treuhänders, um die Nachfrage anzukurbeln. Die andere - eher bange - Frage lautet: Wie stark wird der Aktienkurs gedämpft, wenn der Bund sein Aktienangebot auf den Markt schmeißt? Mitte November wird nach Auskunft Stoltenbergs der Vorstand der Bundesbahn seine Zusage einlösen und den Gesellschafterkreis der Deutschen Verkehrskreditbank öffnen. Hier soll den Bank– und Bahnmitarbeitern die Möglichkeit zum Aktienankauf eröffnet werden. 1988 werde die Veräußerung von Anteilsrechten an der Deutschen Siedlungs– und Landesrentenbank (DSL) und der Deutschen Pfandbriefanstalt den Privatisierungsschwerunkt bilden. Die DSL werde in ihrer öffentlichen Rechtsform belassen. Jedoch solle privaten Anteilseignern die Möglichkeit gegeben werden, sich an dieser Bank über eine vorgeschaltete, als stiller Gesellschafter auftretende Holding zu beteiligen. Die Umwandlung der Pfandbriefanstalt in eine Aktiengesellschaft erfordere aber „gewisse Übergangsregelungen“. ulk
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