■ Störzeile: Für ein paar Dollar mehr
Sie erinnern sich? Den Kaugummi im Mund von rechts nach links schiebend enterten Sie lässig die S-Bahn, suchten sich den besten Platz in der Nähe der Türe und demonstrierten Coolness. Doch sobald sich die „Kontrollettis“ blicken ließen, waren Sie schnell wie der Blitz: Raus aus der Bahn und ab über die Gleise!
Sie waren einsam, aber schneller. Schwarzfahren, das war Abenteuer. Der Feind, der war spießig und langweilig: der HVV. Und wie schön das immer prickelte, wenn man mal wieder gewonnen hatte!
Hamburgs ehemalige Justizsenatorin Peschel-Gutzeit wollte diesem Vergnügen wohl Rechnung tragen, als sie ein neues Gesetz vorschlug, das aus Erwischten keine StraftäterInnen mehr macht, sondern nur Bußgeld-Zahlende. Aber nicht mit dem Rest Deutschlands!
Der Bundesrat – in dem offensichtlich nur Neidhammel mit verkorkster Jugend sitzen – lehnte den Gesetzesvorschlag ab und modifizierte: Die Geldstrafe wird von 60 auf 500 Mark hochgesetzt, ins Gefängnis kann man bei wiederholtem Erwischtwerden auch noch kommen. Sollte der Bundestag ähnliche Vorstellungen haben und dem Gesetz zustimmen, wird für Bahn- und Bus-Cowboys das Abenteuer zu einer Frage des Geldbeutels: Den kostenlosen Ritt auf dem HVV-Pferd wird nur noch wagen können, wer im reichen Westen Gold schürft: Denn was bedeutet in Blankenese schon ein Fünfhundert-Dollar-Schein?
Annette Bolz
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