■ Störzeile: Schauerliche Enten
Wäre es nicht Herbst, man wähnte sich im Sommerloch. Denn was seit einigen Wochen die Kollegen von der Welt, dpa, Hamburger Abendblatt und seit gestern auch der Hamburger Morgenpost an scheinbaren Skandalgeschichten über die Finanzierung der Kunstinsel ihren Lesern auftischen, sind solch schauerliche Enten, wie sie sonst nur schlimmste Themennot fabriziert.
Da wird vom „Millionen-Betrug am Steuerzahler“ bis zur Täuschung der Bürgerschaft schwerstes Geschütz aufgefahren, um eine angebliche Baukostenüberschreitung aufs heftigste anzuprangern. „Aktueller“ Anlaß ist ein Senatsbeschluß von diesem Juni (!), der einem Nachtrag von zehn Millionen Mark zustimmt.
Diesen Beschluß benutzen jetzt Bürgerschaftsabgeordnete wie Walter Zucker (SPD) und Willfried Maier (GAL), um sich mit forschen Statements über angebliche Parlamentstäuschungen als von keiner Sachkenntnis angetrübt darzustellen.
Denn weder kommt dieser Beschluß überraschend, noch ist jemals seit Januar 1992, als die Kosten von 93,5 Millionen Mark für den Bau auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurden, von irgendeinem der Beteiligten bestritten worden, daß dies nicht die endgültige Summe sein würde.
Alle Parlamentarier, die damals für den Bau die Hand gehoben haben (unter anderen Walter Zucker), hätten dies aus erster oder zweiter Hand (Senatsdrucksache 14/1245 oder Presseberichten) wissen müssen.
Bei besagter Pressekonferenz, am 27. Januar 1995, sagte Jan Ehlers, Sprinkenhof-Chef und CDU-Abgeordneter, der heute im Chor der Ankläger auftaucht, wörtlich, es sei „illusorisch, davon auszugehen, daß die jetzt ermittelte Summe auch die Endsumme sein wird“. Auf Nachfragen nannte er eine vermutliche Steigerung um nochmals zehn Prozent, beinahe exakt die Summe, die nun nachträglich bewilligt wurde.
Also: Wo ist die Skandalgeschichte?
Till Briegleb
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