■ Störzeile: Kostverächter
Das wär's gewesen: zwischen zwei Bedürfnisanstalten, auf der heiligen Achse zwischen Elbe und Alster, direkt am Portal eines Konsumtempels eine dritte Einrichtung zur Befriedigung niederer Notwendigkeiten. Die schnelle unbürokratische Lösung hätte den City-Besuch um eine Attraktion bereichert – wo doch der Einzelhandel ständig über des Konsumenten verhaltene Einkaufsmoral nörgelt.
Mag sein, daß das Brechtsche Wort vom Fressen und der Moral, die erst anschließend zu Tage trete, anders gemeint war. Stimmen tut's trotzdem. Wer jemals fünf Minuten lang im Nieselregen ausharrte, um aus der dritten Reihe erfolgreich eine Thüringer zu bestellen, der hat den Würstchennotstand unbestreitbar erlebt.
Doch statt den Massenandrang zu entzerren und kurzen Wegen den Vorzug zu geben, sorgen sich Kostverächter mehr um die politische Moral und erteilen dem schnellen Imbiß eine Abfuhr. Der verprellte Gourmet steht weiterhin Schlange und tröstet sich mit der Gewißheit, daß der Parteifilz vehement bekämpft wird – wenn's um die Wurst geht. Stefanie Winter
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