: Störche flügellahm
FUSSBALL-REGIONALLIGA Holstein Kiel verliert 1:2 in Leipzig – und die Tabellenführung gleich mit. Es bleibt immer noch der DFB-Pokal
Irgendwie scheinen sie das in Kiel nicht so ganz verstanden zu haben, also die Sache mit diesem Werbespruch: Von wegen „verleiht Flügel“ und so weiter. Liebe Holsteiner, eigentlich hatte es sich der österreichische Getränkehersteller doch so ausgedacht, dass der Konsum seiner klebrigen, nach Gummibärchen schmeckenden Brause für eine Art Schwebezustand sorgt.
In Kiel nun sorgt nicht etwa Konsum der Brause – die bei den Holstein-Fans ohnehin auf dem Index steht – für beachtliche Leistungseffekte, sondern bereits der Name: Allein die Vorstellung jener „Roten Bullen“ verleiht den „Störchen“ offenkundig auf wundersame Weise Flügel.
Holstein Kiel hat in dieser Saison die Erwartungen bislang mehr als erfüllt: Im DFB-Pokal erreichte Kiel als einziger Amateurverein das Achtelfinale. Dort steht am 21. Dezember das Heimspiel gegen den Bundesligaklub FSV Mainz 05 an. Es ist aber vor allem das Duell mit RB Leipzig um die Tabellenspitze der Fußball-Regionalliga Nord, das die Holstein-Spieler zu inspirieren scheint.
Projekt Aufstieg
Hinter dem RB steht das Unternehmen „Red Bull“, das sich den systematischen Aufstieg bis in die Bundesliga zum Ziel gesetzt hat. Offiziell heißt der Klub „RasenBallsport Leipzig“, denn die Nennung des Sponsors im Vereinsnamen verbietet der Deutsche Fußball-Bund (DFB).
Gestern trafen die beiden Teams vor beachtlichen 16.627 Zuschauern in der Leipziger WM-Arena aufeinander – und trennten sich mit einem 2:1-Sieg für die Gastgeber. Kiel ging per Foulelfmeter durch Rafael Kazior in Führung (35.), den Ausgleich schaffte Daniel Frahn zwei Minuten später ebenfalls per Elfmeter. Auch den Siegtreffer für Leipzig erzielte Frahn (60.).
Damit gaben die Kieler die Tabellenführung an den bisherigen Zweiten ab – die besseren Voraussetzungen für den Aufstieg in die Dritte Liga, der nur über Rang eins möglich ist, hatten die Leipziger aber ohnehin: Ihr Etat wird auf 4,5 Millionen Euro geschätzt. Kiel kommt, vor allem dank zweier Großsponsoren, auf 2,5 Millionen Euro.
Zuletzt allerdings haben sich die finanziellen Möglichkeiten der Kieler unverhofft erheblich verbessert – dank der Erfolge im DFB-Pokal: Bislang hat Holstein Kiel in jenem Wettbewerb schon 920.000 Euro eingenommen – Prämien aus dem TV-Topf und Zuschauereinnahmen. Eine Sensation gegen Mainz kurz vor Weihnachten brächte eine weitere Million. „Der Pokal ist das Sahnehäubchen“, sagt Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke. „Dort haben wir Selbstvertrauen tanken können.“
Das Leipziger Modell betrachtet der ehemalige Handball-Nationalspieler des THW Kiel mit gemischten Gefühlen: „Das ist schon beeindruckend, wie strategisch sie ihre Ziele angehen. Es ist eine lustige Idee. Ich finde es für den Sport wunderbar. Es ist nur die Frage, wie nachhaltig das ist, wenn der Erfolg ausbleibt.“
„Lustige Idee“
Schwenke spielt darauf an, dass RB Leipzig hinter dem Zeitplan zurückliegt: Eigentlich hätte die Mannschaft schon jetzt in der Dritten Bundesliga spielen sollen. Ein weiteres Jahr in der Regionalliga, die aufgrund einer Strukturreform nach dieser Saison von drei auf fünf Spielklassen erweitert wird, wäre ein immenser Rückschlag für das Leipziger Projekt.
„Ich sehe es so“, sagt Schwenke, „dass sich RB Leipzig gerne im Profifußball etablieren kann – aber gerne noch mit einem Jahr Verzögerung.“ CHRISTIAN GÖRTZEN