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Störche bleiben lieber im Zoo

■ Bremerhavener Zoo am Meer: Für die „Wiedereinbürgerung“ der Tiere fehlt es an freier Natur

Was ist ein Zoo? An diesem kaltnieseligen Januartag, wo Himmel und Wasserfläche grau in grau zusammenfließen, erscheint mir die Vision einer „Arche Noah“ für den kleinen Zoo am Meer in Bremerhaven greifbar nahe. Elegant bewegen sich die Seehunde durchs Wasser, und alle paar Sekunden taucht ein schmaler Kopf mit neugierigen Augen auf. Die Anakonda verharrt reglos in ihrem Becken, Sittiche aller Farben lärmen im Vogelhaus. Puma und Sumatra-Tiger schreiten ein wenig träge in ihren Gehegen herum.

„Für mich ergibt es nur einen Sinn, Tiere in einem Zoo zu halten, wenn sie stellvertretend für Tiere in der freien Natur den Menschen etwas vermitteln, was zum Naturschutz anregt“, sagt der „Noah“ des Bremerhavener Zoos, Zoodirektor Dr. Rüdiger

Wandrey. Das rege Leben und der wache Blick des Kabeljaus, den ich bisher nur kopflos oder tot glotzend aus dem Fischgeschäft kannte, ließ mich im Nordsee-Aquarium sofort an Verklappung und Riesen-Fangnetze denken, die diese Spezies täglich dezimiert. Wo sonst als im Zoo am Meer gibt's so klares Wasser?

Die rotnasigen Japanmakaken hangeln sich gähnend durchs Gehege, ein Junges macht Dehnübungen am ausgestreckten Bein seiner Mutter. Die roten Nasen haben sie nicht etwa von der Kälte, denn sie sind die einzigen wirklich winterharten Affen, die ohne Probleme Eis und Schnee vertragen. Auch den Pinguinen liegt das kalte Wetter eher. Der Eselspinguin muß gerade den Sommer im Kalthaus verbringen, denn alles über 15 Grad bekommt ihm nicht. Die Eisbären liegen schlafend auf nacktem Stein. Auch sie müßten sich bei diesem Wetter wohlfühlen.

Doch so einfach sind die Rückschlüsse auf das Wohlbefinden doch nicht. Hier hat Wandrey Sorgen. Die Eisbären, obwohl

schon seit Jahren geschlechtsreif, wollen sich nicht vermehren. Deshalb wird der Zoo sie vielleicht schon bald abgeben müssen. Dr. Wandrey: „Eine europäische Richtlinie, die gegenwärtig erarbeitet wird, wird die Lizenzvergabe zur Haltung einzelner Tiere noch stärker von den Zuchtvoraussetzungen abhängig machen, die wir aus Platzgründen nicht erfüllen können.“ Für wei

tere Tiere, wie zum Beispiel die Affen, sollen aber durch eine Zooerweiterung diese Bedingungen geschaffen werden.

Artgerechte Haltung wird im Zoo am Meer groß geschrieben, und doch beschreibt Dr. Wandrey dies als „Wanderung auf Messers Schneide“. Als kultureller „Publikumsbetrieb“ kann kein Zoo ohne seine Besucher leben, die für ihr Eintrittsgeld etwas sehen wollen. Doch viele Tiere leben, wenn sie artgerecht gehalten werden, eher im Verborgenen. So ist er froh, jetzt einen Vielfraß im Zoo zu haben, der auch in den Wintermonaten eifrig sichtbare Aktivitäten bietet.

Auch die Nachzucht ist ein durchaus zweischneidiges Schwert. Viele Uhu-Jungtiere beispielsweise konnten über „Wiedereinbürgerung“ in die freie Natur gebracht werden, doch in den verblieben Resten natürlichen Lebensraums finden sie oft schon keinen Platz mehr. So bleibt ein Teil der Tiere, wenn es ihnen freigestellt wird wie beispielsweise den Störchen, lieber im Zoo.

Maria Behrendt

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