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Archiv-Artikel

jenni zylka über Sex & Lügen Stimmungstipps für Mietblondinen

Was tun, wenn man eine Partykanone ist und gerade keine Motivationscassette dabei hat?

Jenny Elvers war es, die mal eine schöne Wasserleiche in „Baywatch“ spielen durfte, wenn mein siebgleiches Gedächtnis für Hardfacts mich nicht täuscht. Und wohin hat sie das gebracht? Jetzt kann man sie, das wispern berufene Stimmen, für Partys mieten. Genauso wie den riesengroßen Mann in Frauenkleidern, mit dem sich in Berlin immer wieder kleine, langweilige, alte Geschäftsleute auf Veranstaltungen fotografieren lassen und dann zu Hause das Bild herumzeigen und sagen: „Guck mal, so viel Spaß hatte ich in der Hauptstadt.“

Natürlich gibt es schlimmere Jobs als Partymietblondine oder -transe. (Gerne würde ich mich sogar offiziell fallweise als Partymietredhead zur Verfügung zu stellen, allein, ich kann wirklich sehr viel essen und trinken und bin nicht mehr ganz jung.) Als ich mein Knäckebrot noch als Sandwich verdiente, nicht in der Pornoproduktion, sondern als laufende Werbetafel, hätte ich keine Partyeinladung ausgeschlagen, und sei das Buffet nur ein Käseigel.

Doch andere scheinen zufriedener mit ihren Berufen. Meine Friseurin sagte neulich zu mir, während sie mir über den Kopf strich: Mensch, ich habe richtig Lust zu schneiden. Wie praktisch, antwortete ich, aber das muss man mal sagen, besonders viel Sinn für Humor hat meine Friseurin nicht, eventuell auch nur nicht für meinen.

Vielleicht ist so eine Partymietblondine ebenfalls richtig froh über ihren Job, steht jeden Morgen auf und sagt, Mann, ich habe so dermaßen Lust auf Feiern heute! Schnell, den kleinen teuren Fetzen auf die Mamillen geklebt, und ab durch die Promiparty-Mitte, wo die Kameras surren und die Hors d’Oeuvres auf Platintabletts kommen.

Was macht so eine Mietblondine aber nun, wenn sie sich mal gar nicht nach Party und nach sexy sein fühlt, sondern eher nach zu Hause bleiben und, zum Beispiel, Schwimm-Weltmeisterschaft in Barcelona gucken? Oder endlich die Boulevardzeitungsausschnitte einkleben? Als Sandwich ist das einfach, da kann man noch so schlecht gelaunt und unsexy zwischen den beiden Holztafeln vor sich hinstinken, man sieht es der Aufschrift nicht an. Als Mietblondine wird das schwieriger, vermute ich. Da muss man strahlen und lächeln, bis die Amalgamfüllungen kalt werden, und dabei auch noch aufpassen, dass die teuren Fetzen nicht verrutschen, oder zumindest im richtigen Augenblick. Man muss wissen, worüber man mit den anderen Partygästen reden soll, braucht also aktuelle Informationen wie „Das Lachskanapee enthält 750 Kilokalorien!“. Und man muss Lust darauf haben, dass einem ständig Kameras auf den Ausschnitt zoomen und Fernsehredakteure frivole und unverschämt private Fragen stellen wie: „Haben Sie schon mal in einer Badeanstalt Sex gehabt?“

Ich würde gerne wissen, wie sich so ein Feierhäschen, in manchen Zeitungen werden diese Damen auch IT-Girl genannt, und das hat lustigerweise überhaupt nichts mit der kranken IT-Branche zu tun, sondern so ein Häschen hat „es“, das gewisse Etwas, wie sich eine solche Partynudel in Stimmung bringt. Meine erste Vermutung: Drogen, ich bin eben nicht so einfallsreich. Enthalten die bizepsgroßen Handtäschchen einen Tampon, Lipgloss und bergeweise Pulver? Aber dafür braucht man eine Menge Geld, und das haben in Deutschland nur Moderatoren und gebürtige Münchner. Und mein kleines IT-Girl stelle ich mir als zugezogene Landpomeranze und höchstens Zweitsemester oder Azubi vor. Also keine Drogen. Musik? Hüpfen Mietblondinen, wie es in allen „Drei Engel für Charly“-Filmen zu sehen ist, zu basslastigem Discosound so lange in Höschen durch das Schlafzimmer, bis die Stimmung steigt? Vielleicht legen sie auch eine dieser Motivationstrainer-Cassetten rein und mantrieren „Ich BIN sexy. ICH bin sexy. Ich bin SEXY“ mit unterschiedlichen Betonungen, denn jene Betonungsmodulation ist die Grundlage einer guten Selbstmotivation. Dann rufen sie das Taxi und fahren zur Arbeit. Werde diese Groovy-sexy-Stimmungsmache ausprobieren. Wenn ich mich das nächste Mal matschig und unsexy fühle und keine Lust habe, zu arbeiten, drehe ich die Musik so laut auf, dass die Zahnbürste im Becher vibriert, hüpfe in wechselnden Höschen herum und rufe, „Ich Bin Sexy!“, wälze mich in Bergen reinen Kokains und habe Sex in der Badewanne. Und danach gucke ich doch die Schwimm-Weltmeisterschaft in Barcelona.

Denn glücklicherweise bin ich ganz zufrieden mit meinem Job als graue Journalistenmaus. Jeden Morgen streiche ich über die Tastatur und denke, Mensch, ich habe richtig Lust zu tippen. Außerdem wüsste ich auch gar nicht, worüber ich mit Heiner Lauterbach reden sollte.

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