Stimmung gegen Ausländer: Koch ergreift die Chance
In vier Wochen ist Landtagswahl in Hessen. Kein Wunder, dass Ministerpräsident Koch gegen "kriminelle Ausländer" wettert. Hat ja 1999 schon mal geklappt.
Roland Koch hat es wieder einmal geschafft: Die Republik echauffiert sich über ihn. Grund sind die Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden der Union zu der angeblich "zu großen Zahl krimineller junger Ausländer" in Deutschland. Im Nachgang zu der brutalen Attacke eines jugendlichen Griechen und eines heranwachsenden Türken auf einen Rentner in München hatte Koch gefordert, Kriminelle im Alter zwischen 18 und 21 Jahren strafrechtlich wie Erwachsene zu behandeln. Diese Leute gehörten weggesperrt wie schon in Hessen: "Bei uns gibt es so gut wie keine jugendlichen Freigänger mehr; wer ins Gefängnis kommt, der weiß, dass er auch im Gefängnis bleibt", sagte Koch gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
"Brutalstmöglichen Populismus" nannte das Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Gerichte verfügten schließlich schon heute über genügend "scharfe Instrumente". Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die dem hessischen SPD-Landesverband angehört, kritisierte die Einlassungen von Koch als "unseriös".
Auf derlei Äußerungen von Sozialdemokraten hat der Landtagswahlkämpfer Koch allerdings gerade gewartet. Die SPD sei in den Achtziger- und Neunzigerjahren nicht konsequent gegen ausländische jugendliche Kriminelle vorgegangen, wetterte Koch am Wochenende. Auch heute noch würden Sozialdemokraten im Bereich der inneren Sicherheit notwendige Maßnahmen "verhindern oder jedenfalls verzögern".
"In seiner Not greift Roland Koch wieder gnadenlos in die alte Kiste der Ausländerfeindlichkeit", konstatierte Ludwig Stiegler, Vizevorsitzender der Bundestagsfraktion der SPD, gegenüber der Passauer Neuen Presse. Er erinnerte an Kochs Unterschriftenkampagne im Landtagswahlkampf 1999 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.
Die Not ist tatsächlich groß bei Kochs Wahlkämpfern. Vor der Hessenwahl am 27. Januar kritisieren die Wähler vor allem die Bildungspolitik der Landesregierung. Zudem versucht die SPD gerade, mit einer Unterschriftenkampagne für den Mindestlohn Koch mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Dessen Forderung nach einem "Burka-Verbot" an hessischen Schulen kurz vor Weihnachten hingegen war ein Schuss in den Ofen - eine Burka tragende Lehrerin oder Schülerin ist in Hessen noch nicht gesichtet worden. Eine Kampagne jedenfalls lässt sich daraus nicht schmieden.
Und dann auch noch die neuste Umfrage von diesem Wochenende. Nur noch 40 Prozent der wahlberechtigten Hessen würden CDU wählen, ergibt diese. Und weil demnach die zur Bildung einer bürgerlichen Koalition benötigte FDP nur noch auf 9 Prozent käme, ist die Regierungsmehrheit für Koch perdu. Im Gegenzug werden der SPD 33 Prozent, den Grünen 10 Prozent und der Linkspartei 6 Prozent prognostiziert.
Eine von Koch schon als Menetekel an die Wand der Staatskanzlei gemalte Volksfrontregierung lässt sich damit zwar nicht bilden - und wird von SPD und Grünen nach eigenen Beteuerungen auch gar nicht angestrebt. Doch dass FDP und CDU zusammen nicht mehr die Fünfzigprozentmarke knacken können, hielt Koch bislang für undenkbar. Dabei wurden in einer Umfrage im Spätsommer fast exakt die gleichen Prozentzahlen eruiert, damals allerdings nannte ein Unionssprecher die Zahlen "wenig glaubhaft".
Nun also soll die Kampagne gegen die "kriminellen jugendlichen Ausländer" die Union wieder in Front bringen. Koch erklärte nachdrücklich, die Diskussion nicht beenden zu wollen. Sein Stil missfällt allerdings selbst der konservativ orientierten FAZ: "Je hektischer Koch im Wahlkampf nach einem Ohrwurm sucht, desto schiefer klingen seine Töne."
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