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Stiller Wahn

Zurückhaltend und gedämpft: Carsten Probst las im Literaturhaus aus seinem Debütroman „Träumer“

Nur wenige finden sich an diesem Abend im Literaturhaus in der Fasanenstraße ein, um den in Berlin lebenden Autoren Carsten Probst aus seinem Debütroman „Träumer“ vorlesen zu sehen. Wahrscheinlich ist das das Schicksal aller noch unbekannten Autoren und solchen, die keine Show abziehen. Auch das Thema des Buches ist keins, das mit Pop und Pomp daherkommt: Schizophrenie. Was keine Kritik an diesem spannenden Thema ist, denn Probst erzählt sensibel und distanziert. Sehr zurückhaltend, existenzialistisch in Schwarz gekleidet, erscheint der Autor auf der Bühne im Literaturhaus. Vielleicht gebietet es das Motiv „Geisteskrankheit“, dass man nicht polternd und Effekt heischend vorträgt, sondern überlegt und leise liest. „Träumer“ ist ein stilles Buch. Selbst die Stellen, an denen es laut hergeht, scheinen wie gedämpft, wenn der Autor sie liest. Das passt zum Buch, denn Schizophrenie wird hier nicht als Belustigung und Zurschaustellung benutzt, sie wird ernst genommen.

Dabei ist der Charakter der Figur Bernhard eigentlich ganz und gar nicht leise, denn er will schon in der Schulzeit Künstler, Philosoph oder Musiker und Star werden. Der Ich-Erzähler Andreas hingegen ist ein Normalo. Keiner, der die Schule schmeißt, sondern sie beflissen beendet, um beflissen zu studieren und den Weg in die Bürgerlichkeit nicht mehr zu verlassen. In der Schulzeit fühlt er sich von Bernhard angezogen, sie werden Freunde, das Band zwischen ihnen wird immer stärker, und zwischendurch sieht es so aus, als seien sie ein Liebespaar. Doch dann kommt es zum Bruch, Andreas möchte seinem unberechenbaren Freund nicht mehr folgen, glaubt zu viel zu riskieren, hält sich nicht stark und furchtlos genug für ihn.

Jahre später sehen sie sich wieder. Bernhard verhält sich mehr als merkwürdig, er ist krank, schizophren, leidet unter Sinnestäuschungen, hat Wahnideen. Die sind manchmal so humorvoll erzählt, dass das eher gediegene Publikum im Literaturhaus schmunzelt. In der Lesung wagt nur einer einmal kurz, vernehmbar zu lachen. Es klingt wie gedämpft.

Bernhards Schwester Lisa versucht, ihren Bruder zurück in die Realität zu holen, will, dass er nicht in einer Nervenklinik landet. Die komplizierte Dreiecksgeschichte zwischen Andreas, Bernhard und Lisa wird von Probst mit einer klaren und schnörkellosen Form seziert, die auch die intensivsten und intimsten Momente nie kitschig erscheinen lässt. Die Atmosphäre in den Gesprächen der drei irritiert und fesselt zugleich, denn gerade der reduzierte Stil fügt sich gut ins Bild des beobachtenden Andreas, der sich verwirrt fragt, was mit ihnen eigentlich geschieht. Zusehends verwischen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Wahn und Wahrheit.

Das Konzept des Buches sei es, nichts zu entlarven und es in der Schwebe zu lassen, erläutert Probst am Ende der Lesung. Dem 1966 in Hamburg geborenen Autor ist es, erzählt er, nicht schwer gefallen, das Manuskript an den Verlag zu bringen. Er lächelt. Aber nur ganz kurz.

JAN DIMOG TANJUAQUIO

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