: Stille Größe
Der Ex-Modefotograf und Sammler F. C. Gundlach hat sich einen Traum erfüllt: In der südlichen Hamburger Deichtorhalle eröffnete er gestern ein „Haus der Photographie“
von Petra Schellen
Nein, dafür ist er zu bescheiden. Dass sein gestern in Hamburg eröffnetes „Haus der Photographie“ das bundesweit einzige ist, das sich auf 2.500 Quadratmetern allein mit Fotografie befasst: Das mag er so nicht formulieren, der fast 80-jährige Ex-Modefotograf F. C. Gundlach. Da verheddert er sich lieber in Anekdötchen und Hymnen auf andere Museen. Dabei glaubt er von ganzem Herzen an das, was er tut, „und dies ist nicht mein letzter Traum. Ich habe noch etliche Projektideen“.
Doch zunächst zum aktuellen Traum: der für vier Millionen Euro umgestalteten südlichen Deichtorhalle – eine der früheren Blumengroßmarkt-Hallen, die bis 2004 beide moderne Kunst präsentierten. Die Südhalle war schon immer der kleine, feine Appendix des Ensembles; verstärkt wird die Kluft durch einen riesigen Platz.
Trotzdem – ohne Unmut gingen die Planungen von Kultursenatorin Dana Horáková 2002 nicht ab, als sie urplötzlich die Gründung des „Hauses der Photographie“ verkündete, deren Grundstock die 12.000 Blätter starke Sammlung F. C. Gundlachs sein sollte. Damals war noch ein „Internationales Haus der Photographie“ geplant. „Aber ,international‘ brauchen wir nicht zu heißen“, sagt Gundlach heute. „Das sind wir einfach – fertig.“
Spricht’s und präsentiert zur Eröffnung Fotos des vergessenen ungarischen Kollegen Martin Munkácsi (1896–1963), der in den 30er Jahren der bis dato statischen Modefotografie Bewegung verlieh. In zwei mokkafarbenen, die Halle umfließenden Kabinetten hat Gundlach Munkácsis Fotos untergebracht – jenen Raumfluchten, die dank neu eingezogener Lichtdecken endlich auf fototaugliche 80 Lux heruntergedimmt werden können. Bleibt das Karree unter der Glaskuppel, die durch Jalousien zu verdunkeln ist.
Ständig sollen künftig im „Haus der Photographie“ Exponate aus der Sammlung Gundlach gezeigt werden – neben wechselnden Sonderausstellungen. „Hier soll immer etwas zu sehen sein“, sagt Gundlach. Wie das trotz Umbauphasen möglich ist? „Durch die alternierende Bespielung von Kabinetten und Karree.“
Architektonisch und programmatisch öffnen will er das Haus, hat vom Architekten Jan Störmer Buchshop, Café, Seminarraum und Bibliothek einbauen lassen und die schweren grünen Portale durch Glastüren ergänzt: „Dies soll ein Kommunikationszentrum werden.“
Im Keller der 3.800 Quadratmeter großen Nordhalle sollen das Gundlach‘sche Fotodepot und das „Spiegel“-Archiv verwahrt werden, das ebenfalls ständig präsent sein soll“, erklärt der künstlerische Leiter Robert Fleck, der ab 2006 das Programm beider Deichtorhallen verantworten wird. Thematische Verbindungen beider Häuser seien kein Dogma, „aber natürlich wird es sie geben, denn wir zielen ja auch auf die Schnittstelle von Malerei und Foto“, sagt Fleck. „Wir planen eine Reihe, in deren Rahmen junge Künstler das Spiegel-Archiv untersuchen.“
Deren Anfang wird die – allerdings vom Protagonisten selbst kuratierte – Schau „Helmut Schmidt – Ein Leben in Bildern des Spiegel-Bildarchivs“ machen. 15.000 Fotos hat Fleck für die Ende April eröffnende Ausstellung gesichtet, „und etliche von ihnen entbehren nicht der Komik. Abgesehen davon sind es Bestände, die – genau wie alle Gundlach-Fotos – so heute nicht mehr produziert werden könnten, weil dieses Papier nicht mehr hergestellt wird. Das sind alles Unikate.“ Garanten authentischer Wahrnehmung auch? „Nein – aber das sind Fotos nie gewesen“, betont Gundlach. „Manipuliert wurde schon immer – was früher retuschiert wurde, wird heute digital entfernt.“ „Irgendwann wird es kein Original mehr geben“, prophezeit Fleck.
Ist dann aber ein „Haus der Photographie“ nicht ein Anachronismus? „Ich empfinde das nicht so“, sinniert Gundlach. „Denn wir zeigen hier stehende Bilder, geben also, anders als das Fernsehen, das Rezeptionstempo nicht vor. Soll dies also ein Ort der Entschleunigung sein?
„Nicht explizit. Denn in erster Linie geht es hier um Kunst.“ Sagt’s und zögert unentschlossen. „Natürlich werden wir in unseren Seminaren auch Wahrnehmungsmuster hinterfragen. Es ist wichtig, die Inszenierung auf einem Foto zu erkennen.“ Und vielleicht ist Modefotografie besonders geeignet, dies zu demonstrieren, setzt sie doch unverhohlen auf Pose und macht die Dechiffrierung leicht.
Auch auf der Ausstellungswand wird übrigens inszeniert. „Petersburger Hängung haben wir diese Ecke hier genannt“, murmelt Gundlach und zeigt auf eine angenehm chaotische Bilderballung an der Wand. „Was wir hier machen, ist wie ein Layout – nur dass die Rezeption vielschichtiger ist als beim Printmedium. Und die Munkácsi-Fotos haben wir so gehängt, dass Sie verstehen, was eine Reportage ist“, betont er und beobachtet genau, was seine Assistenten tun, bevor die Besucher strömen. „Können wir hier eine geringere Lichttemperatur haben“, ruft er in das mokkafarbene Kabinett. „Ich möchte diese Fotos sehr zurückgenommen präsentieren.“ Denn Deutungs- und Stimmungsmoleküle – die soll der Betrachter selber liefern.
Die Ausstellung „Martin Munkácsi: Think while you shoot!“ ist bis zum 24. Juli im Hamburger Haus der Photographie zu sehen. www.deichtorhallen.de