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Stiftung am Fluß

Die neue bündnisgrüne Einheitsstiftung schreibt sich die „Geschlechterdemokratie“ auf die Fahnen. Mit Heinrich Böll auf zu neuen Ufern?  ■ Von Ulrike Helwerth

Konrad Adenauer, Friedrich Ebert, Friedrich Naumann, Hanns Seidel: Es sind lauter längst verblichene „große“ Männer, mit denen sich die Stiftungen der etablierten Parteien schmücken. Nun wollen die bündnisgrünen Normalos auch hierin gleichziehen. Heinrich Böll soll ihre neue Einheitsstiftung heißen, die Anfang März aus der Fusion der bisherigen drei Einzelverbände hervorgehen wird.

Das ist der Schlußstrich unter ein Experiment, das 1988 begann. Damals riefen die Grünen gleich drei Vereine ins Leben. Unter dem Dachverband „Regenbogen“ bekamen die Realos „Heinrich Böll“, die BasisdemokratInnen ihren „Buntstift“. Die Feministinnen, die in einer Art „Kulturevolution“ zunächst das ganze Geld für ein reines Frauenprojekt beanspruchten, erhielten ihre „FrauenAnstiftung“ (FAS). Mit je einem Drittel der Mittel ging man und frau nach Neigung und Können stiften in gebührlicher Distanz zur Partei. Bis die Bündnisgrünen 1994 auf die Bonner Bühne zurückkehrten – fest entschlossen, endlich eine ordentliche Partei zu werden. Die Parteispitze drohte dem bis dahin unkontrollierbaren „Stiftungsunwesen“ mit dem finanziellen Aus, wenn er sich nicht zu Reform und Fusion bereiterklärte. Gut ein Jahr feilschten VertreterInnen der drei Stiftungen, der Partei und unabhängige ExpertInnen zäh um die Reformvorlage.

Einen wesentlichen Beitrag leistete dabei eine Gruppe von Frauen aus allen Stiftungen (die „Reform-AG-Frauen“). Ihrem Verhandlungsgeschick ist es im wesentlichen zu verdanken, daß es ganz oben im Satzungsentwurf für die Einheitsstiftung nun heißt: „Ein besonderes Anliegen ist ihr [der Stiftung – Anm. U.H.] die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie als ein von Abhängigkeit und Dominanz freies Verhältnis der Geschlechter. Diese Gemeinschaftsaufgabe ist sowohl für die interne Zusammenarbeit als auch für die Aufgabenerfüllung aller Bereiche ein maßgebliches Leitbild.“ Geschlechterdemokratie, so ihre Verfechterinnen, sei politisch ein „innovatives Element“, das über bisherige Frauenpolitik als eingeschränkte Ressortpolitik hinausgehe. Das Motto „Geschlechterdemokratie“ dagegen richte die Aufmerksamkeit auf die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse und verlange von Frauen und Männern gemeinsam, diese nach demokratischen Prinzipien aus- und umzugestalten. Sie beziehe sich sowohl auf die politischen Partizipationschancen von Frauen als auch auf die gesellschaftliche Resourcenverteilung zwischen Männern und Frauen. Sie befördere die Kritik an autoritär-hierarchischen Strukturen in den privaten Verhältnissen und an öffentlicher und gewaltförmiger Herrschaft von Männern. Geschlechterdemokratie solle als neuer „positiver Leitbegriff“ den der „Frauenpolitik“ ablösen. Er sei, so Gunda Werner, Mitreformerin aus der FrauenAnstiftung, „der Versuch, die ganze Organisation auf Fraueninteressen hinzuorientieren“.

Für diesen Passus aber mußten die Frauen zäh kämpfen. Der größte Widerstand schlug ihnen dabei vom bündnisgrünen Frauenrat entgegen. Das oberste Gremium der Parteifeministinnen meldete erhebliche Bedenken gegen das modische Schlagwort an. Geschlechterdemokratie sei ein „völlig unklarer Begriff“, aus dem weder ersichtlich werde, wie weit er sich auf Feminismus beziehe, noch welches Demokratieverständnis dahinterstehe. Laut dem Frauenrat bestehen folgende Gefahren: der Begriff könne als „rein formal demokratische Gleichberechtigungspolitik“ interpretiert werden, die „Parteilichkeit für Frauen“ ginge verloren, die „häufig konträren Interessen von Frauen und Männern“ würden verdeckt und nivelliert.

Nun waren sich Parteifeministinnen und FrauenAnstiftung (FAS) noch nie besonders grün. Und die Zusammenarbeit, zumindest im Inlandsbereich, gestaltete sich von jeher „denkbar schlecht“, wie Christiane Ziller, frauenpolitische Sprecherin des bündnisgrünen Bundesvorstands, bestätigt. Die feministische Frauen(projekte)szene rechnete mit einem Füllhorn. Doch es war ein eher bescheidenes Hörnchen. Viele gingen leer aus, oft ohne angemessene Begründung. Die Basis war düpiert. Auch nach innen hatte die FAS mit divergierenden Interessen zu kämpfen, zum Beispiel zwischen dem Inlands- und dem Auslandsbereich. Letzterer hat eine starke Lobby und verfügt über fast zwei Drittel der Gelder. Derzeit fließen 4,5 Millionen in Projekte im „Süden“ (Lateinamerika, Afrika, Asien), 2 Millionen in Projekte in Ost- und Südosteuropa – ausnahmslos Projekte, in denen nur Frauen arbeiten. Ihr guter internationaler Ruf aber steht in keinem Verhältnis zum hiesigen. Hier wurde die FAS nie zu einer profilierten Institution.

Die Stiftungsreform hat Parteifrauen und FAS dazu gezwungen, sich „miteinander zu beschäftigen“, sagt Christiane Ziller. Inzwischen haben sich die Parteifrauen mit der „Geschlechterdemokratie“ angefreundet. Christiane Ziller ist sogar ziemlich stolz, daß die neue Stiftung die einzige ist, die das Geschlechterverhältnis „als Leitmotiv thematisiert“.

Strittig sind noch Aufgaben und Ausstattung des im Satzungsentwurf vorgesehenen „Instituts für feministische Politik“, das nach Willen der FAS-Frauen das autonome Standbein der Stiftung werden soll (siehe unten). Hingegen hat die Realität die festgeschriebene Quote von mindestens 50 Prozent Frauen in allen Gremien, der Stiftung sowieso, bereits überholt. Rund drei Viertel aller FunktionsträgerInnen und Beschäftigten der drei Einzelstiftungen sind Frauen. Ob jedoch der „Gemeinschaftsaufgabe“ in den Haushaltsberatungen 50 Prozent der Mittel eingeräumt wird, ist fraglich.

Unterm Strich sind die Feministinnen der unterschiedlichen Lager mit dem Reformentwurf ziemlich zufrieden. Die nicht unbegründete Angst, daß in der neuen Stiftung frauenpolitische Selbstverständlichkeiten untergehen oder zumindest an Stellenwert verlieren könnten, ist deutlich zurückgegangen. „Wir haben alle unsere Interessen eingebracht, auch wenn es über die Maßen Kraft gekostet hat“, bilanziert Gunda Werner von der FAS den einjährigen Verhandlungsmarathon. Jetzt komme es auf den Willen der anderen an.

Zunächst ist das die bündnisgrüne Bundesdelegiertenkonferenz, die Anfang März über den Reformvorschlag entscheidet. Streit- und Verhandlungsmasse ist über die Geschlechterfrage hinaus noch genug da. So gibt es außer den FAS-Frauen vielleicht noch andere, die gegen den Namen „Heinrich Böll“ sind. Nicht, weil sie persönlich etwas gegen den großen alten Mann haben, sondern weil sie sich geschlechter-, migrantInnen- oder sonstwiedemokratisch nicht angemessen repräsentiert fühlen von einem „male white European“.

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