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Stich um Stich zum Ich

■ Um die Ausbeutung des weiblichen Körpers und die Suche nach sich selbst zu demonstrieren, forderte Inge Jacob im Fotoforum zum „Abplätten“ auf

Zur Eröffnung der Ausstellung von Inge Jacob bot sich ein trauliches Bild: Weiße Laken auf dem Boden, Schwarz-Weiß -Fotos an der Wand, ein zierliches Durcheinander von rotem Hut, rotem Obst, rotem Strickzeug ringsherum. Mittendrin am Bügeltisch Inge Jacob in graziöser Weiblichkeit: braune Locken, blaue Augen, rote Fingernägel, schwarzer Wallerock und am Spitzenblüschen eine weiße Feder. Alles in allem ein so netter Anblick, daß frau am liebsten gleich wieder Reiß -aus genommen hätte, weil hier alle Schreckgespenster betulich-nabel-schaulicher Frauenkunst versammelt schienen. Nur was auf dem Bügeltisch ausgebreitet lag, fügte sich nicht recht

ins traute Bild: Auf einem weißen Laken waren Fotokopien des nackten Jacob-Körper genäht, Stich um Stich mit rotem Faden befestigt. Gebrauchsanweisungen erklärten das Tuch nicht nur zum sonderangebotenen Kunstwerk, sondern, wie sich eine jede zu Billigstpreisen davon bedienen könne: Für Einsneunzig konnte, wer wollte, ein Stück vom Frauenleib abbügeln, für zehn Pfennig gabs den Stempel: Besitz. „Sucht euch ein hübsches Stück aus“, und die Leute bügelten konzentriert und mit Nachdruck. Auf einem Stück Körper herumzuplätten, nahmen die meisten gelassen hin: Ist ja nur ein Stück Papier.

Diese Bügelaktion beschreibt Jacob als Reaktion auf die kürzlich zu sehende Helmut-Newton-Ausstellung, auf die Art des Fotografen, Frauen als leicht verkäufliche Ware anzupreisen. Einerseits. Andererseits will sie damit auf die Unterbewertung von Frauenkunst hinweisen, die meist, wenn überhaupt, viel preiswerter gehandelt wird als die der männlichen Kollegen. Vor allem aber ist die Aktion Teil ihrer Suche nach sich selbst: Was mich interessiert bin ich! Wenn sie nur wüßte, was das ist, dieses „Ich“. Die eine Seite ihrer Persönlichkeit kann die 40jährige Hannoveranerin mit wenigen Wörtern beschreiben: Ehefrau, Hausfrau, Mutter. Die andere Seite bleibt eher diffus, die nennt sie erstmal „Ich“ und hofft, irgendwann herauszufinden, was das bedeutet: Künstlerin vielleicht, Fotogafin, Malerin, Performerin. Doch das

sagt sie unter Vorbehalt, werden damit doch nur Teilsaspekte beschrieben und die Wahl der Mittel, mit denen sie ihrem „Ich“ auf die Spur kommen will. Dabei schreckt sie vor keinem Klischee zurück, und nimmt bewußt in Kauf, daß das Publikum an diesem Klischee haften bleibt.

Gängige Vorstellungen vom Frausein bedeuten Erfahrungswerte, die sie nutzt, um sie besser durchbrechen zu können. Darum auch ihre Kostümierung am Eröffnungsabend: denn obwohl ihr Spitze und Rock durchaus zu Gesicht stehen, trägt sie so etwas sonst nicht, auch keine rot lackierten Nägel. In der Entdeckung des „Ichs“ erhofft sie sich Antworten auf die Fragen, die nicht nur sie selbst berühren.

Was nach der Aktion im Foto-Forum bleibt, gibt von so viel Forscherdrang leider nicht allzuviel Ausdruck. Im Gegenteil: im letzten Raum ein paar Kopien-Collagen, in der Mitte ästhetische Aktaufnahmen ihrer selbst, vorne Installationen aus Kopierblättern, bei denen der Kopierer die Frau als „unbeschriebenes Blatt“ ausspuckt und vom Mann nur den Penis übrigläßt.

Offensichtlich stört es Inge Jacob nicht, daß dieses Ensemble im Gegensatz zu ihren dichten und analytischen Verbalien reichlich dünn wirkt. Hauptsache, sie selbst hat neue Fragen und Antworten gefunden.

Beate Naß

Fotoforum, bis 24.8., Mo-Fr, 17-19

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