: „Stern“-Stunde
Die spinnen, die Belgier: Polizei transportiert schon wieder Material aus dem Brüsseler „Stern“-Büro ab
Die belgische Polizei versucht weiterhin mit allen Mitteln, an die Informanten des Brüsseler Stern-Korrespondenten Hans-Martin Tillack heranzukommen. Seit gestern sind offiziell 695 Seiten aus Tillacks Archiv beschlagnahmt, außerdem wurde überraschend das Büro der Illustrierten am Boulevard Charlemagne zum zweiten Mal durchsucht.
Diesmal hatten die Beamten auch Zugriff auf einen bislang nur versiegelten Wandschrank – anders als bei der ersten Durchsuchung am 19. März, als man lange vergeblich wartete, war jetzt ein Schlosser bei der Hand.
Tillack steht wegen seiner kritischen Berichterstattung über die Antikorruptionsbehörde OLAF unter Generalverdacht. Formal geht es um die angebliche Bestechlichkeit eines Informanten. „Kein Cent“, bekräftigten Tillack wie Stern-Politikchef Norbert Höfler gestern gegenüber der taz, sei jemals gezahlt worden. In Belgien gibt es keinen mit Deutschland vergleichbaren Informantenschutz.
Als Tillack gestern zu einen regulären Termin bei der Polizei eintraf, demonstrierten vor dem Gebäude zahlreiche JournalistInnen. Der Generalsekretär der Internationalen Journalistenvereinigung IFJ, Adrian White, sagte, der Korrespondent sei „Opfer einer veralteten Einstellung gegenüber Journalisten in Belgien“. Chef von OLAF, auf deren Ersuchen die belgische Polizei ermittelt, ist der bayerische Ex-Oberstaatsanwalt Franz-Hermann Brüner.
Bei dem Termin sollten in Tillacks Beisein die bei der ersten Heimsuchung Mitte März „abgeführten“ Ordner durchgesehen werden. „Doch dann hieß es, wir würden erst noch mal ins Büro fahren“, so Tillack. Wie beim ersten Mal habe er wieder keine Inventarliste der von der Polizei abtransportierten Archivalien erhalten – dies sei „zu aufwändig“, habe er zur Antwort bekommen. Die Beamten verweigerten außerdem, Kopien des nun formal beschlagnahmten Materials zu machen. „Es sah mehr nach allgemeinem Fischzug aus“, sagt Tillack, „sie haben auch Dokumente beschlagnahmt, die überhaupt nichts mit OLAF zu tun haben, darunter auch einen Focus-Artikel.“ Der größte Teil seines Archivs lagere nun bei der Polizei, 17 weitere Kisten warten dort versiegelt auf Durchsicht. Anders als im März konnte Tillack diesmal wenigstens mit seinem Anwalt telefonieren.
Die nächste Durchsicht soll bereits kommende Woche erfolgen. Ein Kommissar habe ihn allen Ernstes gefragt, „warum ich mir das antue, ich hätte ja einfach nur den Namen der Quelle nennen können“, sagt Tillack – und lacht. STEFFEN GRIMBERG