: Stehender Hamburger
■ Historische Reichsbahn-Schau im Bahnhof Wannsee
„Man muß ja so aufpassen - gestern abend, da hatten wir kein Personal mehr, kam einer mit einer Rohrzange rin“, stöhnte am Sonntag ein Hobby-Dampflokführer, der Berliner Eisenbahnfreunde (BEF) im Führerstand seines pechschwarzen Oldtimers „Ampfelwang“ aus dem Jahr 1925.
Besonders an diesem Wochenende erwies sich die von der Deutschen Reichsbahn gemeinsam mit den Eisenbahnfreunden noch bis zum 9.10. (tägl. von 10-16 Uhr) veranstaltete Fahrzeugschau auf dem Bahnhof Wannsee als Publikumsrenner. Dazu gibt es nostalgische „Romantik„-Dampflokfahrten (eine begeisterte Stimme: „Ja, ich weiß noch, wie Onkel Erwin damit nach Berlin kam“) täglich jeweils um 9.32 oder 13.27 Uhr auf einem Rundkurs vom Bahnhof Zoo über Spandau nach Wannsee und zurück zum Zoo.
Eines der am heftigsten von Fotografen und Videofilmern umlagerten Ausstellungstücke ist ein stromlinienförmiger, zweiteiliger Triebwagen aus dem Jahr 1935, der haargenau dem legendären „Fliegenden Hamburger“ gleicht, der erstmals im Mai 1933 im planmäßigen Reisezugdienst von Berlin nach Hamburg brauste - 1939 in der nie wieder erreichten Rekordzeit von 2,13 Stunden.
Der nach dem Krieg für den damaligen DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck umgebaute Zug ist jedoch nur von außen zu betrachten, die Fenster sind mit Vorhängen zugehängt. Doch die Reichsbahn will nicht nur mit solchen Seltenheiten wie einem von den Ost-Berlinern einst „Sputnik“ genannten Doppelstockwagen oder uralten Dampfrössern auf das Nostalgiebedürfnis setzen.
So zeigt sie u.a. auch modernste Gefährte. Beispiel: Ein funkelnagelneuer kombinierter Sitz- und Gepäckwagen mit behindertengerechten Einstiegen, Toiletten und Abteilen vom DDR-Werk Halberstadt. Grund für eine ältere, gebrechlich wirkende Dame, erst recht zu bemäkeln: „Wenn du nach dem Osten fährst, haste ja noch die unbequemen Plastik-Coupes dieser Dreck, das stinkt ja!“
thok
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