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Steffen Grimberg Flimmern und RauschenWir müssen über die Verderbtheit von Google und Facebook sprechen

Foto: Regentaucher

Falls es noch unbemerkt geblieben sein sollte: Wir leben in absurden Zeiten. Auf der einen Seite sind da die klassischen Medien, die die Verwerfungen der Moderne auf ihre Weise kontern. CNN beispielsweise lässt bei Reden von US-Präsident Donald Trump ja mittlerweile den Faktencheck gleich per Scroll live durchs Bild laufen. Schlimm genug, dass so etwas nötig ist.

Auf der anderen Seite stehen die längst nicht mehr neuen sozialen Medien, die ohne journalistische Umwege Füh­re­r*innen (wobei: es sind zumeist Kerle) und Volk vernetzen, Verhetzung à la Trump inbegriffen. Faktenchecks gibt es mittlerweile auch dort, mit einer feinen Ausnahme: Facebook nimmt bekanntlich politische Anzeigen von seinem sogenannten third party fact checking program ausdrücklich aus. Was das angesichts der Aktivitäten von Trump und Co. vor dem Hintergrund des geplanten Impeachment-Verfahrens bedeutet, kann man täglich besichtigen: Beleidigungen, Unterstellungen und Lügen – an denen gemessen selbst die krudest-suggestiven Geschichten von Julian „Bild“ Reichelt noch so seriös wie das stenografische Protokoll des Deutschen Bundestags sind.

Nun werden Facebook wie auch Google nicht müde, ihr zivilgesellschaftliches Engagement auch gerade Richtung klassischer Medien zu rühmen. Google bezahlt schließlich auch in Deutschland für gemeinsame Projekte mit Zeitungsverlagen und anderen Medien. Um so die Vielfalt zu stärken, alles im Sinne der Meinungsfreiheit. Dabei gehört zur digitalen Dialektik, dass Google im gleichen Atemzug einem ganzen Haufen von Organisationen finanziell auf die Sprünge hilft, die den Klimawandel leugnen. Wie der Guardian berichtet, unterstützt Google seit Jahren beispielsweise das Competitive Enterprise Institute (CEI) mit seiner Cooler Heads Coalition oder das erzkonservative Cato-Institut.

Und warum das Ganze? Weil sich diese Organisationen als wertvolle Verbündete erwiesen haben, wenn es um die Haftungsbeschränkung von Digitalgiganten bei von ihnen weiterverbreiteten Inhalten geht. Die sogenannte Section 230 des US-Telekommunikationsgesetzes aus dem Jahr 1996 regelt nämlich, dass diese Unternehmen „nicht als die Herausgeber (publisher) oder Urheber (speaker) für Inhalte oder Informationen“ Dritter haftbar gemacht werden dürfen.

Auf diesem Passus beruht der von Google, Facebook & Co. gebetsmühlenartig vorgetragene Befund, sie seien keine Medienunternehmen, sondern böten Inhalten nur die technische Weiterleitung. In den Anfangsphasen des World Wide Web war das richtig und gut so. Heute, wo die Algorithmen ihren redaktionellen Dienst versehen und alle Inhalte vorselektieren, ist daraus ein Bumerang geworden.

Steffen Grimberg, Medienprofi (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR), bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt

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