Steffen Grimberg Fimmern und Rauschen: Für die „SZ“ geht’s jetzt doch noch um die Wurst
In der guten alten Zeit gab es einen geregelten Ablauf für kontroverse Mitarbeitendenversammlungen beim NDR. Senderleitung und Redakteur*innen gaben sich was auf die Mütze und hinterm Sofa lag Tom Schimmeck und schrieb für die taz mit. Jeglicher Journalismus beruht zu weiten Teilen darauf, dass etwas veröffentlicht wird, was andere lieber nicht ins Licht gezerrt wissen wollen.
Gerade der Medienjournalismus ist voll davon. Die Branche ist, anders als sie gerne behauptet, wenig mitteilungsfreudig. Schon gar nicht, wenn es um die Wurst geht. Dazu sind Kommunikationsbetriebe in eigener Sache meist grottenschlecht in ihrem Kerngeschäft Kommunikation. Von daher ist es ein Fortschritt, dass die ARD nach Intendant*innensitzungen zuerst ihre Mitarbeiter*innen informiert und danach die Presse. Auch wenn es bei der dann mit dem Redaktionsschluss schwierig wird.
Besonders heiß läuft der mediale Wurstgrill gerade bei der Süddeutschen Zeitung, wo der Branchendienst Medieninsider länglich aus Redaktionskonferenzen zitiert, in denen über die Konsequenzen darüber diskutiert wurde, dass der Medieninsider schon vorher aus SZ-Redaktionskonferenzen zitiert hatte, wo wiederum über angeblich nicht gekennzeichnete Zitate von SZ-Vizechefin Alexandra Föderl-Schmidt von unter anderem der Website des Jüdischen Museums diskutiert worden war. Das ist einerseits schön, weil so endlich mal wieder das gute alte Plusquamperfekt zum Einsatz kommt.
Gleichzeitig ist es aber auch misslich, weil die SZ hier ein bisschen Harakiri der Gegenwart betreibt. Wenn Föderl-Schmidt ein paar Sätze mit Hintergrundinformationen zum Simchat-Fest beim Jüdischen Museum abschreibt und das nicht richtig kenntlich macht, ist das doof. Sollte einer Chefredakteurin besser nicht passieren. Was da erst die Mitbewohnerin zu sagen würde! Es ist aber kein Weltuntergang.
Auch nicht, wenn sich Mediendienste und ihre Journalist*innen darüber lustig machen. Das ist ihr Job. Problematisch wird’s, wenn die SZ deswegen nach dem Maulwurf sucht wie nach den Panama Papers. Das ist zwar auch irgendwie lustig, aber mehr als ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Soll man sich darauf, dass Föderl-Schmidt, die in den 1990ern auch mal für die taz schrieb, jetzt ihren Chefinnenjob ruhen lässt, weil ein von Julian Reichelts Laden Nius bezahlter Plagiatsjäger ihre Doktorarbeit von 1996 durchflöht hat, ein Ei braten? Macht erst recht keinen Sinn und ist auch nicht mehr lustig.
Ja, Redaktionskonferenzen fallen unters Redaktionsgeheimnis. So weit die Theorie. Die Praxis sah schon immer anders aus, und heute ermöglicht moderne Technik noch viel mehr. Und das Problem liegt ganz woanders. Was ist das für eine Stimmung und Haltung in einem Laden, wenn da alles in angeblich voller Länge nach draußen gereicht wird? Vor allem dann, wenn es nicht mal eine Wurst gibt.
Steffen Grimbergist leitender Redakteur beim KNA-Mediendienst
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