Stefan Petzner schafft Sprung an Parteispitze: Haider-Groupie ist neuer BZÖ-Chef
Der 27 Jahre alte Österreicher Stefan Petzner ist Nachfolger des zu Tode gekommenen Jörg Haiders als Parteichef. Dessen fremdenfeindliche Politik will er fortsetzen.
WIEN taz Stefan Petzner ist neuer BZÖ-Chef. Überraschend schnell und einstimmig klärte der Parteivorstand am Sonntag die Nachfolge des am Vortag verunfallten Jörg Haider. Sein Ziel sei es, eine rot-schwarze Regierung zu verhindern, erklärte Petzner. Das sei Haiders Vermächtnis. Eine Rechtskoalition mit der ÖVP wird aber durch Haiders Tod unwahrscheinlicher. ÖVP-Obmann Josef Pröll verkündete am Montag in Wien, er wolle sich vom Parteivorstand grünes Licht für die Aufnahme von Koalitionssverhandlungen mit SPÖ-Chef Werner Faymann holen.
Die plötzliche Bereitschaft Prölls, sein taktisches Kokettieren mit einer Dreierkoalition ÖVP-FPÖ-BZÖ zu beenden, dürfte einerseits der großen Finanzkrise, anderseits dem Ableben Haiders zuzuschreiben sein. Außerhalb Kärntens erwartet kaum jemand, dass die One-Man-Show BZÖ ohne ihren Schöpfer auf Dauer ein politischer Faktor bleibt. FPÖ-Chef Heinz Christian Strache machte in Zeitungsinterviews bereits unmissverständliche Angebote an die 21 Abgeordneten der Haider-Partei.
Dagegen verwahrte sich der neue BZÖ-Chef Petzner. Der 27-jährige Haider-Intimus und Multifunktionär ist der jüngste jener Knaben-Groupies, mit denen sich der Kärntner Landeshauptmann immer umgeben hatte. Wer ihm gefiel und durch bedingungslose Treue auffiel, wurde schon in jungen Jahren mit wichtigen Ämtern überhäuft, wie der spätere Finanzminister Karl-Heinz Grasser und der zeitweilige Fraktionsvorsitzende Peter Westenthaler.
Petzner wuchs in einer freiheitlichen Familie auf einem Bauernhof im steirisch-kärntnerischen Grenzland auf und schwärmte für Haider, seit er ihm im Alter von vier Jahren einmal die Hand geben durfte. Um Haider dienen zu können, brach er sein Publizistikstudium ab. Die Diplomarbeit über "Die Macht der Musik am Beispiel Udo Jürgens" blieb liegen. Petzner war einer der Letzten, die Haider lebend sahen und mit ihm noch telefonierten, als dieser schon im Auto saß. Wenn er beteuert, er werde im Geiste Haiders weiterarbeiten, so verspricht er die Fortsetzung der fremden- und minderheitenfeindlichen Politik. Petzner verteidigte vehement die Einrichtung von "Sonderanstalten für kriminelle Asylbewerber" auf einer 1.200 Meter hoch gelegenen Alm. Kriminell ist jeder, gegen den eine Anzeige vorliegt: "Die Frage, rechtskräftige Verurteilung ja oder nein, stellt sich für uns in diesem Fall nicht", erklärt Petzner.
In Kärnten treibt die Haider-Verehrung indessen groteske Blüten. Vor dem Amtssitz des Landeshauptmanns entstand ein Meer aus Kerzen und Blumen. Vergleiche mit Lady Di und dem Filmhelden James Dean werden angestellt. In schwärmerischen Nachrufen wird bestenfalls konzediert, er hätte auch Fehler gemacht. Angesichts der Verklärung des Haider-Bildes warnte Politologe Anton Pelinka im Radio vor einer Mythenbildung. Man müsse sich "die Grenzen und die Problematik seines Erfolges in Erinnerung rufen". Zu seinen zweifelhaften Verdiensten etwa zähle es, die am Stammtisch verschämt ausgelebte Fremdenfeindlichkeit öffentlich zu machen. Diese Seite des Toten dürften auch viele Leserbriefschreiber kommentiert haben. Denn die Tageszeitungen Der Standard und Die Presse schlossen am Sonntag ihre Online-Foren "wegen der großen Anzahl pietätloser Postings".
Haiders Leichnam wird im Spiegelsaal des Landhauses in Klagenfurt mindestens einen Tag lang aufgebahrt werden, bevor am Samstag das Begräbnis im Bärental, Haiders Forstlatifundium und Wohnsitz, stattfindet. Zur Bestattung werden zahlreiche ausländische Gäste erwartet. Mit einem Treffen der europäischen Rechtsaußengrößen ist zu rechnen.
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