piwik no script img

Staudämme gegen die Krise

Einst Musterland, nun hoch verschuldet: In 16 Jahren hat Robert Mugabe Simbabwe heruntergewirtschaftet. Heute will er gewählt werden  ■ Aus Harare Kordula Doerfler

Die meisten Industriellen in Simbabwe sind Gauner und Betrüger, die die Wirtschaft untergraben. Dieser Ansicht ist zumindest der Präsident des Landes, Robert Mugabe (72), der in einem Interview mit dem staatlichen Fernsehen vor wenigen Tagen kein gutes Haar an der Privatwirtschaft ließ.

Es ist Wahlkampfzeit in Simbabwe. Seit Wochen reist der Amtsinhaber durchs Land, um die knapp vier Millionen Wahlberechtigten davon zu überzeugen, ihn dieses Wochenende zu wählen. Über die wirtschaftliche Lage des Landes spricht der Präsident lieber nicht. Er macht allenfalls die immer noch von Weißen dominierte Privatwirtschaft verantwortlich.

Das einstige Musterland der Dekolonisierung steuert nach 16 Jahren Alleinherrschaft der Zanu-Pf (Afrikanische Nationalunion von Simbabwe – Patriotische Front) auf eine massive Wirtschaftskrise zu. Für die Meisten der rund zehn Millionen Einwohner des Landes haben sich die Lebensverhältnisse in den letzten Jahren verschlechtert. Das Wirtschaftswachstum lag im vergangenen Jahr bei nur einem Prozent, die Bevölkerung wuchs um drei Prozent. Die Inflationsrate lag bei 28 Prozent und nicht, wie angesteuert, bei nur zehn.

Simbabwe ist noch überwiegend agrarisch geprägt. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land. Die Landwirtschaft leidet an den Folgen mehrerer Dürrejahre, obwohl es jetzt im Sommer ergiebig geregnet hat. Im vergangenen Jahr blieb die Maisernte um 60 Prozent hinter der des Vorjahres zurück, Baumwolle um 40 Prozent, Zucker um 30 Prozent. Gegen Ende vergangenen Jahres hungerte fast die Hälfte der Bevölkerung, und Mugabe hat für dieses Jahr internationale Hilfe in Höhe von 235 Millionen US-Dollar beantragt. Lediglich die Tabakindustrie, wichtigster Devisenbringer des Landes und wenig dürreanfällig, erlebte einen Aufschwung.

Viel besser sieht es auch in den größeren Städten Simbabwes nicht aus. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent. Trotz des seit der Unabhängigkeit sehr verbesserten Schulwesens, finden nur zehn Prozent der jährlich rund 200.000 Schulabgänger einen Arbeitsplatz. Das Strukturanpassungsprogramm Esap, das die Regierung 1990 erstmals für fünf Jahre installierte, um die Wirtschaft zu liberalisieren, war nur teilweise erfolgreich. Der Markt wurde geöffnet, der Außenhandel liberalisiert. Reformen des Staatsapparates und der halbstaatlichen und staatlichen Betriebe wurden immer wieder verschoben. Die Reallöhne fielen seit Beginn der Liberalisierung gar um 40 Prozent.

Eine Milliarde Mark Kredit für das Haushaltsloch

In besorgniserregendem Zustand sind vor allem die Staatsfinanzen. Im Finanzjahr 1994/95 verdoppelte sich das Defizit auf 14,5 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP). Um das Haushaltsloch zu stopfen, mußte die Regierung knapp eine Milliarde Mark Kredite zusätzlich aufnehmen. Die Gesamtverschuldung des Staates liegt bei 110 Prozent des BSP – Simbabwe zählt damit zu den hochverschuldeten Ländern.

Doch die Regierung trifft keinerlei Anstalten, den Haushalt zu sanieren. Im Gegenteil: Das Finanzministerium ist seit Monaten nicht besetzt. Der letzte Finanzminister Chambati kam im Oktober bei einem Autounfall ums Leben, nachdem er erst wenige Monate im Amt war.

Handlungsbedarf sieht die Regierung jetzt trotz des massiven Drucks der internationalen Geberländer nicht. Der Internationale Währungsfonds setzte im September 1995 Gelder aus, im Oktober akzeptierte die Regierung ein Programm, mit dem der IWF und die Weltbank die Ausgaben der Regierung überwachen. Und auch die EU ist neuerdings zurückhaltend. Zwar zahlt sie in diesem Jahr noch 46 Millionen Mark für Dürrehilfe und das Schul- und Gesundheitswesen. Weitere 29 Millionen werden jedoch eingefroren, bis die Regierung Simbabwes die Auflagen von IWF und Weltbank erfüllt. Dazu zählt auch die Berufung eines neuen Finanzministers. „Die Arbeit wird auch ohne den Minister getan, das ist schließlich ein ganzes Ministerium“, sagt Arbeitsminister Nathan Shamuyarira. Vertreter der Geberländer in Simbabwe vermuten, daß Mugabe keinen starken Finanzminister haben möchte, damit keine Nachfolgediskussion ins Rollen kommt. Shamuyarira, der zugleich Parteisprecher der Zanu-Pf ist, wiegelt auch diese Frage ab.

Die dringend erforderliche Konsolidierung des Staatshaushaltes wischt der Minister mit einer verächtlichen Handbwegung vom Tisch. „Wir stimmen nicht mit den Ökonomen überein“, sagt er. „Die Kapitalisten wollen doch nur in ihre eigene Tasche wirtschaften.“ Um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, setzt der Minister auf veraltete Konzepte. Öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen wie der Bau von Staudämmen sollen die Menschen von der Straße wegholen. Die Privatwirtschaft ist in seinen Augen noch nie in der Lage gewesen, die Probleme der Armen zu lösen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen