: Stasi-Fragen zulässig
■ Bundesarbeitsgericht: Öffentliches Interesse geht vor Persönlichkeitsrecht
Kassel (AFP) – Die sogenannten Stasi-Fragebögen, mit denen nach der Vereinigung die Staatsdiener in den neuen Ländern nach früheren politischen Funktionen und eventueller Stasi-Tätigkeit befragt wurden, waren grundsätzlich zulässig. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Kassel bestätigte am Donnerstag im wesentlichen den „Erklärungsbogen“ des Freistaats Sachsen. Die Schutzrechte der Beamten und Angestellten müßten hinter dem öffentlichen Interesse an verfassungstreuen Staatsdienern zurückstehen, hieß es zur Begründung. (AZ: 5 Sa 141/92)
Der Freistaat hatte den Fragebogen 1991 all seinen Bediensteten vorgelegt, darunter allein 49.000 Lehrern. Gefragt wurde nach Mitarbeit und Kontakten zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS), Funktionen in Parteien und Massenorganisationen, Tätigkeiten und Ausbildungen außerhalb der DDR sowie nach besonderen Ausbildungen in der DDR. Diese Fragen seien zulässig, weil sie „Zweifel an der Eignung eines Lehrers im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit betreffen“, entschied das BAG. Als unzulässig verwarfen die Kasseler Richter lediglich die Frage nach abgelehnten Anwerbungsversuchen des MfS, weil „die Eignung des Lehrers hierdurch nicht berührt wird“.
Geklagt hatte eine heute 29jährige Lehrerin für Deutsch und Englisch aus Leipzig. Wenngleich „die Aufdeckung von Stasi-Spitzeln notwendig war und ist“, sei der Fragebogen weit über dieses Ziel hinausgegangen und verletze sie in ihren Persönlichkeitsrechten. Ihr Anwalt sprach von „staatlicher Neugier mit orwellscher Düsternis“.
Weil sie sich über „das gesamte Verfahren“ der Befragung aufgeregt habe, hatte die Lehrerin 1991 ihren Fragebogen in einem verschlossenen Umschlag abgegeben. Jetzt bekommt sie diesen Umschlag verschlossen zurück, muß aber einen neuen Fragebogen mit Ausnahme der unzulässigen Frage nach erfolglosen Anwerbungsversuchen ausfüllen.
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