: Stasi-Archiv: Aktenlage über Bonn bereinigt?
■ Nächtliche Besucher der ehemaligen Stasizentrale auf der Suche nach brisanten Politikerdossiers?
Berlin (taz) — Auftrag und Identität der in der Nacht von Freitag auf Samstag in der ehemaligen Stasizentrale entdeckten „Besucher“ wird immer undurchsichtiger. Nachdem sich Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft am Wochenende mehrfach in Widersprüche verwickelten, wollen es nun beide nicht mehr gewesen sein. Worum es den nächtlichen Besuchern gegangen sein könnte, hat dagegen ein früherer Mitarbeiter des staatlichen Stasi-Auflösungskomitees, Hans Schwenke, gegenüber der taz erläutert: Seit Anfang Oktober lagern in den Archiven der Normannenstraße auch die bislang geheimgehaltenen Akten der früheren Auslandsspionage (Hauptverwaltung Aufklärung). In diesen Beständen werden brisante Dossiers über Bonner Politiker und Ministerialbeamte vermutet, an deren Sicherstellung Bonn allergrößtes Interesse haben dürfte. Schwenke wollte allerdings auch nicht ausschließen, daß ehemalige MfS-Mitarbeiter die Akten zur Seite schaffen wollten, um sie später „gewinnbringend“ einzusetzen.
Mitarbeiter des neuen Sonderbeauftragten der Bundesregierung Jochen Gauck, der für die Verwaltung des Stasi- Nachlasses verantwortlich ist, wissen dagegen von nichts. Zwar sei das BKA im Hause gewesen, allerdings nur zur Sicherrung des Gebäudes. Siegel des Archivs seien danach nicht angetastet worden. Darüberhinaus hätte das BKA das Büro des früheren MfS-Obersten Fischer, der für die Auflösung der HVA zuständig war, durchsucht. Gauck sei von dieser Aktion nicht informiert worden, genaueres wisse man bis heute nicht. Nach Auskunft der Bundesanwaltschaft ging es in diesem Fall, an dem auch die GSG 9 beteiligt war, um die Suche nach einer „verdeckt arbeitenden MfS-Leitstelle“, die den Auflösungsprozeß des Geheimdienstes verhindern wolle. Die Aktion verlief angeblich ergebnislos.
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