Starkregen in der Bergregion um Rio: Über 100 Tote nach Erdrutschen
In Brasilien kommen mindestens 104 Menschen nach heftigem Niederschlag ums Leben. Es hatte in wenigen Stunden mehr geregnet als sonst im gesamten Februar.
Die Zahl der Verschütteten war zunächst nicht bekannt, Feuerwehr und Bewohner suchten nach ihnen unter Trümmern und Schlamm. Bilder zeigten zerstörte Häuser, von den Fluten mitgerissene Autos und überschwemmte Geschäfte. Spezialteams mit Booten und Geländefahrzeugen suchten nach möglichen weiteren Opfern. Die Einsatzkräfte schaufelten Wege durch die Reste eingestürzter Häuser frei, von denen viele in den Slums an den Bergen gestanden hatten. 400 Soldaten wurden zur Unterstützung der Such- und Rettungsteams entsandt. Hilfsorganisationen riefen zu Spenden auf.
Insgesamt 24 Personen wurden lebend gerettet. Mindestens 80 Häuser wurden von einer Schlammlawine erfasst, mehr als 180 Bewohner von Risikogebieten wurden dem Zivilschutz zufolge in Schulen untergebracht, 372 Personen wurden obdachlos.
Nach Angaben des Wetterdienstes fielen in einigen Stadtteilen von Petrópolis binnen weniger Stunden bis zu 260 Millimeter Regen, mehr als normalerweise im gesamten Februar. „Es war der schlimmste Regen in Petrópolis seit 1932“, sagte Gouverneur Cláudio Castro laut der Mitteilung. Hänge rutschten ab, Autos wurden von den Wassermassen mitgerissen, Straßen waren blockiert. „Es ist fast eine Kriegssituation“, sagte Castro.
Die „Águas de Março“ haben nichts Romantisches
Die brasilianische Regierung warnte vor einem „sehr hohen“ Risiko neuer Erdrutsche in der Bergregion von Rio de Janeiro, „insbesondere in Petrópolis“. Für die kommenden Tage werden weitere Regenfälle vorhergesagt, die neue „Überschwemmungen“ verursachen könnten.
Im Januar, Februar und März kommt es in Rio und der Region immer wieder zu heftigen Regenfällen. Die Sängerin Elis Regina und der Komponist Antônio Carlos „Tom“ Jobim setzten den Märzregen in dem Bossa-Nova-Song „Águas de Março“ (wörtlich übersetzt: Wasser des März) in den 1970er Jahren sogar ein musikalisches Denkmal.
In der Wirklichkeit sind die Märzregen häufig weit weniger sanft, bringen wie diesmal Zerstörung und Tod mit sich. Oft haben die Bewohner ihre Häuser illegal an erdrutschgefährdete Berghänge gebaut. Teile von Rio de Janeiro werden auch von sogenannten Milizen kontrolliert, die ins Immobiliengeschäft eingestiegen sind. Dabei werden die Bauvorschriften offenbar nicht immer beachtet.
Zudem sind Abwasser- und Kanalsysteme in vielen Städten nicht mitgewachsen, die Investitionen in sanitäre Einrichtungen, Entwässerung, Hochwasser- und Hangschutz werden vernachlässigt.
Präsident Bolsonaro wünscht „Gottes Trost“
Präsident Jair Bolsonaro, der sich derzeit auf Staatsbesuch in Russland aufhält, sprach bei einer Pressekonferenz mit Gastgeber Wladimir Putin von einer „Katastrophe“. Er wünschte den Angehörigen der Opfer „Gottes Trost“. Am Freitag will er das Gebiet selbst besuchen.
Bei einer Unwetterkatastrophe im Bergland von Rio de Janeiro im Jahr 2011 waren mehr als 900 Menschen ums Leben gekommen. Sie galt als die schlimmste in der Geschichte Brasiliens.
Davon war unter anderem auch Petrópolis mit seinen rund 300.000 Einwohnern besonders betroffen. Die von deutschen Einwanderern geprägte Stadt, die einst der Sommersitz der brasilianischen Kaiserfamilie war, ist aufgrund ihrer Höhenlage und des kühlen Klimas in den tropisch-heißen Sommermonaten auf der Südhalbkugel auch bei Einwohnern Rios als Urlaubsort beliebt.
Bereits Anfang dieses Monats hatte es in Brasilien Erdrutsche und Überschwemmungen nach heftigen Regenfällen gegeben. Dabei kamen im Bundesstaat São Paulo 28 Menschen ums Leben. In den vergangenen drei Monaten kam es zudem in den Bundesstaaten Bahia im Nordosten und Minas Gerais im Südosten zu heftigen Regenfällen mit dutzenden Todesopfern. Im Dezember sorgten Rekordregenfälle für Überschwemmungen im Bundesstaat Bahia.
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