: Starke Länder wollen weniger zahlen
■ Der Streit um den Länderfinanzausgleich ist neu entfacht. Bayern und Baden-Württemberg sprechen von einem verfassungswidrigen Verfahren. Auch Hessen will weniger einzahlen. Doch eine gemeinsame Klage is
Freiburg (taz) – Nach Bayern und Baden-Württemberg fühlt sich auch das rot-grüne Hessen als Geberland im Länderfinanzausgleich überbeansprucht. Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) betonte gestern, daß sein Land noch weit mehr leiste als die beiden Südländer. Auch Hessen brauche eine Erleichterung von dieser „kaum noch erträglichen Last“. Etwas sozialdarwinistischer hatte sich Bayerns Finanzminister Erwin Huber (CSU) am Mittwoch beschwert: „Wir sind nicht bereit, von der Mehrheit der Empfängerländer auf Dauer ausgebeutet zu werden.“
Die Geberländer kritisieren vor allem, daß rund 90 Prozent ihrer überdurchschnittlichen Steuereinnahmen in den Länderfinanzausgleich fließen. „Wenn wir in der Steuerverwaltung neue Betriebsprüfer einstellen, gehen die Mehreinnahmen zum großen Teil in andere Länder“, argumentiert Alexandra Zimpelmann, die Sprecherin des hessischen Finanzministeriums, „die Personalkosten müssen wir aber alleine tragen.“ Im Gegenzug seien die Sparanreize für die Nehmerländer relativ gering, wenn deren Finanzkraft durch die Umverteilung ohnehin angehoben werde. „So haben wir unseren Ministerialbeamten die traditionelle Zulage gestrichen, während diese in vielen Nehmerländern noch gezahlt wird. So etwas ist für die Betroffenen kaum vermittelbar“, betont Zimpelmann.
Mitte November soll ein erstes Treffen der Geberländer Bayern (2,86 Milliarden Mark pro Jahr), Baden- Württemberg (2,5 Milliarden Mark), Hessen (3,25 Milliarden Mark) und Nordrhein-Westfalen (3,1 Milliarden Mark) stattfinden. Das Treffen geht auf eine Anregung des hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel vom August zurück. Diskutiert wird dabei auch über eine Klage beim Bundesverfassungsgericht.
Erwin Huber und sein Stuttgarter Kollege Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) hatten am Mittwoch ein Gutachten vorgestellt, das die „Verfasungswidrigkeit des derzeitigen Finanzausgleichs zu belegen versuchte“. Mindestens die Hälfte der überdurchschnittlichen Finanzkraft eines Landes müsse vom Finanzausgleich verschont bleiben, hatte in diesem Gutachten der Mannheimer Verfassungsrechtler Hans-Wolfgang Arndt postuliert.
Das steht zwar nicht im Grundgesetz, doch nimmt Arndt Bezug auf ein Karlsruher Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Vermögenssteuer aus dem Jahr 1995. Damals hatten die roten Roben entschieden, daß die Vermögenserträge der Steuerbürger nur bis zur Grenze von 50 Prozent besteuert werden dürfen. Das stand zwar auch nicht im Grundgesetz, wurde von den Besserverdienenden der Republik jedoch allgemein begrüßt. Ob man diesen in Karlsruhe frei erfundenen Gedanken nun auch noch einfach auf das Bund- Länder-Verhältnis übertragen kann, scheint allerdings sehr fraglich. Das in Düsseldorf erscheinende Handelsblatt meinte immerhin wohlwollend, der juristische Kunstgriff sei „zumindest originell“.
Vermutlich würden bei einer Verfassungsklage allenfalls geringfügige Korrekturen herausspringen. Deshalb soll erst einmal mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung verhandelt werden. Hessen und das ebenfalls rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen haben ohnehin große Vorbehalte gegen das juristische Vorgehen. Bei politischen Verhandlungen haben die vier Geberländer allerdings schlechte Karten, denn sie sind in der klaren Unterzahl. Für eine Grundgesetzänderung müßte sich in Bundestag und Bundesrat jeweils eine Zweidrittelmehrheit finden.
Solche Mehrheiten sind bisher jedoch nicht in Sicht. Im Gegenteil: die Nehmerländer haben die jüngsten Vorstöße aus dem Süden postwendend zurückgewiesen und betont, daß der Föderalismus ohne die Solidarität der starken Länder nicht zu bewahren sei.
Den Föderalismus in der jetzigen Form wollen die starken Länder allerdings nicht unbedingt beibehalten. Seit langem plädiert etwa der Stuttgarter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) für eine Länderneugliederung. Auch Bayerns Finanzminister Erwin Huber hieb am Mittwoch in diese Kerbe: „Ein starker, überzeugender Föderalismus ist auf Dauer nur mit starken Ländern zu machen.“ Sonst sei auch ein Finanzausgleich auf Dauer überfordert und bleibe wirkungslos. Christian Rath
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