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Starke Akzente und glamouröse AusstrahlungChirurgie mit Pinsel und Farbe

■ Der Berliner Visagist Dieter Bonnstadter übt die Kunst an der Frau und holt das Beste aus ihrem Typ heraus

Unser Gesicht. Die unverwechselbare Persönlichkeit, in Farbe, Form und Ausdruck“, so die vielversprechende Eigenwerbung des Berliner Schönheitssalons „Ara“. Was aber, wenn diese unverwechselbare Persönlichkeit wechselhaften Stimmungen und Anlässen ausgesetzt ist? Dann greifen Sie doch einfach zur „Chirurgie mit Pinsel und Farbe“. „Denn auch der teuerste Zobelmantel wirkt nicht, wenn die Frisur, das Make-Up nicht stimmt. Mode fängt am Körper an“ , weiß Dieter Bonnstadter, Mitinhaber von „Ara“. Dort werden Frisur, Make-up und Kosmetikschulung gleichermaßen praktiziert. Anfängertips für die stimmungsvolle Kunst an der Frau: „Eine klassische Austrahlung erreichen sie durch die dezente und gleichmäßige Betonung der Augen, Wangenknochen und Lippen. Wählen Sie gedämpfte Farben beim Make-up. Für die sinnliche Ausstrahlung ist Natürlichkeit Voraussetzung. Beim Make-up herrschen Naturtöne vor und Wimpern und Augenbrauen werden besonders betont. Die romantische Austrahlung hat jugendlichen Charme. Make-up in zartem Pastell betont sanft die Augen und den Mund. Die Wangen erinnern an gerundete Apfelbäckchen. Aufregend wirkt die glamouröse Austrahlung. Make-up in auffallenden Farben setzt starke Akzente um die Augen und Lippen.“

In der Hauptstadt des ungekünstelten Bouletten-Charmes ist alles erlaubt

Ob er nun Apfelbäckchen malt oder sanft die Augen unterstreicht, Dieter Bonnstadter, gelernter Visagist, kann sich keinen anderen Beruf vorstellen. Er malt gern und braucht den Kontakt mit Menschen. Er hat wie die Frauen, die vor allem zu ihm kommen, den Ehrgeiz, das Beste aus einem Typ herauszuholen, „das Schöne zu unterstreichen“. Schon mit 14 Jahren schrieb er sich in einer Kosmetikschule ein. Zum Verdruß seiner Familie, die ihn auf die anständige Laufbahn zurückholte und zum technischen Zeichner ausbilden ließ. Dem Zeichnen blieb er treu, allerdings nicht auf totem Papier, sondern am lebendigen Gesicht: er wurde, was er eigentlich wollte, Visagist. Die Liason Mode und Schönheit kennt er von innen: als Chefvisagist bei Yves Saint Laurent in Paris und später bei der Kosmetikfirma Monteil. Nach jahrelangem Hin und Her zwischen Berlin und Paris lebt er jetzt wieder ständig in Berlin. In der Hauptstadt des ungekünstelten Bouletten-Charmes, wo es bislang wenig zählte, die persönliche Note mit raffinierten Stöffchen oder dicken Puderquasten aufzupeppen. „Hier war alles erlaubt, andere Städte wie Düsseldorf oder München hatten dafür den Erfolg im etablierten Business“, so Bonnstadter zur modischen Enthaltsamkeit Berlins. Für ihn, der vom unbedingten Willen zur Schönheit lebt, war das eher flippige Berlin nicht gerade eine Goldgrube. Doch die Stadt hat sich verändert: Vom unkonventionellen Avantgardebewußtsein geht der Trend zu angepaßtem Modebewußtsein. Mit der Hauptstadt Berlin zogen Zeitschriften, Fernsehen, Film und modische Geschäftigkeit in die Stadt ein. Für den Visagisten, der vor allem von größeren Aufträgen lebt, eine lukrative Entwicklung. „Früher“, konstatiert Bonnstadter den Wandel im Kleinen, „kamen die Kunden, die ungewöhnlich sein wollten, heute wird wieder auf persönliche Schönheit geachtet“.

Die mag durchaus relativ sein, doch in Bonnstadters Salon mit den anheimelnd warmen braun, lila und rosa Tönen und exotischen Motiven an Spiegel und Wänden, wird sie in vorzeigbare Form gebracht. Sei es durch die Frisur oder den Bogen der Augenbraue, der eindeutig charakterliche Prägung hat. So verrät nach dem Lehrbuch die nicht vorhandene Augenbraue schwachen Willen, die volle hingegen Aktivität. Die mit Hilfe von Pinzette und Stift zu ziehende Idealform ist: dicht, als Ausdruck für Aktivität; lang zur Betonung der Vitalität; ansteigende für einen Hauch Kühnheit und im Winkel als Signal für Warmblütigkeit. Ansonsten versucht sich Bonnstadter, „intuitiv auf den Typ einzustellen“. Außer bei seinen Aufträgen für Illustrierte oder Modefotografen, ist der jeweilige Trend Modell, zur Zeit Claudia Schiffer oder Madonna. Schmollmund und Strahle-Augen sind das geringste Problem: „Für die Fotografie läßt sich auf jedes Gesicht ein Hauch von Brigitte Bardot, Greta Garbo oder Marilyn Monroe zaubern“, weiß Bonnstadter. Ob verführerisch, selbstbewußt oder verträumt, alles nur eine Frage der richtigen Farbpalette.

Damit die selbstgenügsame Kundin nicht zum gestylten Zombie wird, gehört zum guten Visagisten neben der Technik der „richtige Blick“. Der stellt sich für Bonnstadter aus dem Gespräch mit der Frau beziehungsweise dem Mann ein. Doch gleich welcher Typ, „heute ist Natur gefragt. Man hat den höchsten Anspruch, mit wenigen Mitteln das Positive zu betonen, umreißt der Schönheitsmaler den Öko-Trend.“

Das Positive betonen nach wie vor in der Mehrzahl Frauen. Männer kommen zum Haareschneiden; zum Visagisten wagen sich außer exotischen Ausnahmen allenfalls vereinzelte Vertreter des gehobenen Managements — Farb-und Typberatung für die unwiderstehliche Ausstrahlung in der Chefetage. Für Bonnstadter eine ausbaufähiges Marktsegment. Das weinrote Jakett, wenn es dem Typ entspricht, könne unter lauter blau-grauen Mäusen ein Zeichen von Dynamik und Risikobereitschaft sein. Doch Vorsicht, dieser gewagte Vorstoß gebührt nur dem Profiliertesten unter den weniger Profilierten. Die unteren Chargen sollten sich mit einer netten Frisur und getönten Tagescreme für wirkungsvolle Frische zufriedengeben.

Was sich im Management langsam durchsetzt, geht an den höheren Etagen der Politik spurlos vorbei. Vertreter aus dem öffentlichen politischen Leben nehmen die Angebote der Schönheitskür kaum wahr. Selbst die moderne Rita Süßmuth schlug eine Einladung bei Bonnstadter aus. Dabei wären geschönte PolitikerInnen durchaus eine Sache des öffentlichen Interesses. Edith Kresta

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