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StarbucksNichts Besonderes mehr

Am Anfang stand eine schöne Idee: Starbucks verband Qualität mit Gemütlichkeit. Jetzt ist die Kaffeehauskette hoch rentabel, aber ungemütlich.

Starbucks-Filiale in Seattle Bild: AP

Nichts Besonderes mehr

Starbucks und Kaffee

Starbucks hat weltweit 13.000 Filialen, davon 800 in sieben europäischen Ländern, nicht aber in Italien. In Deutschland gibt es zurzeit 88 Starbucks-Cafés.

Jüngst unterzeichnete Starbucks eine Vereinbarung mit der äthiopischen Regierung, aus der folgt, dass Starbucks äthiopischen Kaffee anbietet und als solchen auszeichnet. Äthiopien verspricht sich davon einen Imagegewinn für die eigene Kaffeproduktion.

Der Gourmet-Kaffee-Sektor beträgt bereits acht Prozent des weltweiten Kaffeeverbrauches. Nach Erdöl ist Kaffee das meistgehandelte Produkt der Weltwirtschaft.

Im Durchschnitt trinkt jeder Deutsche vier Tassen Kaffee am Tag, das entspricht 146 Liter bzw. pro Kopf 6,7 Kilo im Jahr. Damit ist Kaffee noch vor Bier das beliebteste Getränk der Deutschen.

Washington. Der größte Kaffeekocher der USA befindet sich einer Krise. Es ist keine Wirtschaftskrise. Die Zahlen sind gut: Starbucks ist unangefochten das am schnellsten wachsende Einzelhandelsimperium aller Zeiten. Seit die Kette aus Seattle im Jahr 1992 an die Börse ging, ist ihre Aktie um 5.000 Prozent gestiegen, ohne nennenswerte Ermüdungserscheinungen. Auch in diesem Jahr plant die Firma, 2.400 Starbucks Coffee Houses in der ganzen Welt zu eröffnen, statistisch sind das jeden Tag sechseinhalb neue Filialen.

Die Krise jedoch ist Bestandteil dieses Erfolgs, sozusagen in ihn eingebaut. Wie die Klatschseite des Konzerns vor einigen Wochen aufschnappte, hatte der 54 Jahre alte Starbucks-Gründer Howard Schultz in einem internen Memo an seine Manager heftig lamentiert. Er beklagte sich über das, was Starbucks abhanden gekommen sei, seit es von sechs Filialen im Jahr 1987 auf heute 13.000 Niederlassungen anwuchs. Schultz nannte es "das Besondere". Bei knapp sieben Neugründungen täglich können die Baristas genannten Mitarbeitenden eben nicht mehr die Kaffeebohnen von Hand mahlen. Das ist das Problem.

Der Selfmade-Geschäftsmann Schultz, der aus bescheidenen Verhältnissen in der Bronx stammt und als junger Xerox-Verkäufer die Klinken Manhattaner Büros putzte, beklagte, dass der Starbucks-Kaffee kein Aroma mehr habe und die Coffee Houses langweilig seien. Längst vorbei seien die Zeiten, in denen Starbucks der nette Laden um die Ecke war, wo Leute abhängen und die Zeitung lesen, mit den Baristas quatschen und sich bei einem Becher guten Kaffees wie zu Hause fühlen.

Auch das einheitliche Design der Innenausstattung sei langweilig und reflektiere keineswegs mehr das Gefühl eines Nachbarschaftscafés, meckerte Schultz. Seitdem in den Filialen vor einigen Jahren moderne Espressomaschinen eingeführt wurden, damit der Ausstoß gesteigert werden konnte, läuft alles vollautomatisch. Die Läden seien daher "seelenlos" und schlicht ein nichtssagendes Massenprodukt, fern von der ursprünglichen Idee. Zu der müsse man aber zurück, "back to the core", rüffelte der Kettenchef zum Schluss.

Der gleiche Howard Schultz aber verfolgt einen strammen Expansionskurs: 40.000 Filialen weltweit und 25 Prozent Profitzuwachs, das ist sein Ziel, posaunte er nach dem letzten Quartalsbericht in die TV-Kameras. Das habe noch nie eine Firma geschafft, er wolle zeigen, dass es geht, sagte Schultz. McDonalds zum Beispiel hat heute weltweit 30.000 Filialen.

Schultz habe es geschafft, sagen anerkennend selbst seine Kritiker, dass US-Amerikaner heute bereit seien, für einen Pappbecher Kaffee statt wie bisher 60 Cents plötzlich bis zu 4,50 Dollar zu bezahlen. All das für ein paar Sessel und orange gestrichene Wände und das illusionäre Gefühl einer Qualitätsgemeinschaft. Ja, Howard Schultz, der Expansionsguru, war stets ein Meister darin, die Idee eines Unternehmens zu verkaufen, das nicht bloß ein Geschäft war. Starbucks sei eine Institution mit eigener Kultur, hat er stets behauptet. Und mit Mitarbeitenden, die zumindest in den USA dankbar dafür sind, dass sie eine Krankenversicherung bekommen.

Wie stets, strahlte Schultz auch an einem sonnigen Morgen im Mai 2002 am Pariser Platz in Berlin. Als er dort die erste deutsche Starbucksfiliale eröffnete, bot er einigen privilegierten Zuhörenden wieder einmal seine Vision dar. Wichtig, betete Schultz in die Runde, sei das Realisieren von Träumen! Werten! Visionen! "Egal, ob Amerikaner, Deutsche oder Filipinos - wir alle haben das Bedürfnis, zusammenzukommen. Starbucks ist der Ort. Starbucks bringt Menschen zusammen." Wer wollte derartig beglückt von so viel Metaebene noch an Investitionsvolumen oder Expansionsstrategien denken?

Die US-Marken-Consulting-Firma Brand Keys hat just im März dieses Jahres eine US-Konsumentenbefragung unter 20.000 Leuten per Telefon durchgeführt. Dabei kam heraus, dass die Fettgebäckkette Dunkin Donuts eine höhere Kundenloyalität genießt als das sich selbst gerne zum "europäischen Kaffeehausgenuss" stilisierende Starbucks. Andere Consumer-Tests hatten ergeben, dass McDonalds eindeutig den qualitativ besseren Kaffee verkaufe als die Kaffeekette.

Längst regt sich ausgerechnet in den USA Widerstand gegen den Moloch. Fans einer guten Tasse, die es in den Kaffeemetropolen New York, San Francisco und Seattle zuhauf gibt, sprechen längst von einer "dritten Welle" in der US-Kaffeekultur. Die erste sei die Nescafé-Ära der Industrialisierung gewesen, erinnert sich James Freeman, 40, ein Coffee-Start-up-Unternehmer aus San Francisco. So wie seine Mutter habe jede amerikanische Hausfrau morgens die Folgerskaffeedose geöffnet, die Tassen mit je einem Löffel gefüllt und heißes Wasser darüber geschüttet. Mit Peetes Coffee und dem ersten Starbucks-Unternehmen, das Howard Schultz 1987 für 3,8 Millionen Dollar erwarb, habe ab den 70er Jahren die "zweite Welle" eingesetzt. Sie habe die Menschen dazu gebracht, Kaffee nicht als Aufwachgebräu, sondern als Lifestyle zu entdecken, sagt Freeman anerkennend.

Und heute? Trotz der flächendeckenden Existenz von Starbucks winken im US-Kaffeegeschäft noch immer Traumgewinne. Freeman, der einst als Orchesterklarinettist sein Leben verdiente, hat seine kleine Fimra "Blue Bottle Coffee" erst vor fünf Jahren als Ein-Mann-Rösterei gegründet. Heute arbeiten 15 Baristas für ihn und helfen ihm, jährlich um bis zu 400 Prozent zu wachsen. Das Besondere an der dritten Welle sei der holistische Anspruch an ein genussvolles Getränk, sagen alle. Freemann, der noch immer eigenhändig in einer kleinen Lagerhalle in Oakland, einem Vorort San Franciscos, zweimal die Woche röstet, kauft nur ökologische Produkte. Von der Milch bis zum Papierbeutel für die Bohnen sei alles öko und umweltschonend. Auch das ist Teil der neuen Kaffeephilosophie in den USA.

Soweit es gehe, sagt der früh ergraute Jungunternehmer, bekommen die Kaffeekunden in seinem kleinen Kiosk ihren sorgfältig zubereiteten Latte oder Espresso in einer Porzellantasse, dazu einen echten Löffel aus Edelstahl. "Ich bin kein Starbucks-Hasser", sagt James Freeman und nippt an einem herrlich duftenden Espresso. "Schultz hat uns Amerikanern sehr auf die Sprünge geholfen. Und er hat Kaffee weltweit zu einer Gourmet-Massenware gemacht. Aber unterwegs hat er Kaffee leider in übersüßtes Junkfood verwandelt, das nach Haselnuss oder Weihnachtsgewürzmischung schmeckt."

Nachdem Freeman die letzte Röstung des Tages ordentlich in sein Röstlogbuch eingetragen hat, malt er aus, was die Zukunft des Kaffees in den USA sein sollte: Stilvolle Kaffeehäuser nach Wiener Vorbild. Darin sitzten sinnierende Menschen, die so einsichtsvoll sind, ihre Handies auszuschalten und ihre Laptops zu Hause zu lassen. So ähnlich stellt sich das einige tausend Kilometer weiter östlich auch Andrea Illy vor. Das Gute an der Globalisierung sei, dass sie auch die Richtung wechseln könne, so sagt es sinngemäß der Enkel Francesco Illys, der in den 1930er Jahren den dampfgetriebenen Espresso erfand. Der italienische Unternehmer und Chef von Illycaffé will Starbucks nun auf heimischem Terrain Konkurrenz machen. Im letzten Jahr eröffnete er in Manhattan seine erste Designer-Espresso-Bar "Espressamente". Dort, wo Schultz vor dreißig Jahren die Kaffeerevolution ausrief.

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