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■ StandbildAllein mit einem Ohr

„Zur Person“: Gerhard Schröder zu Gast bei Günter Gaus, Mi., 21.50 Uhr, ORB

Aufrecht saß er da, wie gemeißelt. Wer bei Günter Gaus als „Person“ auftritt, hat es schwer, das Studio zu füllen. Da ist ja sonst nichts als Gaus' linkes Ohr, das manchmal schräg von hinten ins Bild kommt. Und siehe da, selbst Medienmann Gerhard Schröder agierte hier ungewohnt unsicher: Ein Zucken um die Mundwinkel, als die Rede auf das Scheitern der dritten Ehe kam. Nervöses Fingerspiel und erstaunlich viele Ähs und Ähems auf dem privaten Gelände der eigenen Herkunft. Ob es ihm genierlich sei, daß die Mutter Putzfrau war? Nein, aber ein guter Fußballer gewesen zu sein war doch nötig, kompensatorisch.

Bei Gaus retardiert fast jeder zum Schüler. Begründen Sie, warum die SPD das neue Asylrecht gutheißt, Schröder! Und Schröder begründet manierlich. Ziemt es sich für einen Sozialdemokraten, im Frack beim Wiener Opernball aufzutreten? „Ein Frack ist nicht unsozialdemokratisch.“ Schröders Politik, das hatte Gaus schnell heraus, besteht darin, Begriffe, die negativ klingen, zu ersetzen. Ob er anpasserisch sei? „Nun, ich würde es nicht Anpassung nennen, sondern Pragmatismus.“ Ob man Menschen benutzen müsse, wenn man an die Spitze wolle? „Nun, ich würde es nicht benutzen nennen, sondern ich arbeite mit ihnen. Und dann verliert man sich wieder aus den Augen.“ Ob er denn alle Begriffe meide, die er für negativ besetzt halte? Da blieb Schröder nur noch die Vogts-Variante: Frage abgrätschen, den Gegner ins Leere laufen lassen. „Ja gut, also.“ Und für einen Augenblick entstand die Gewißheit, daß Vogts als Kanzler auch keinen allzu großen Unterschied machen würde. Jörg Magenau

Wiederholung am Montag, 23.30 Uhr auf Sat.1

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