■ Standbild: Voll die Härte
„Nachtkultur mit Willemsen“, Mi., 22.30 Uhr, WDR
Wer mittwochs zu vorgerückter Stunde durch die Programme flitzt, die Nachrichten des Tages schon kennt, „Stern-TV“ albern findet und für Mo Asumang nun doch nicht einsam genug ist, der bleibt wohl irgendwann bei Roger Willemsen hängen. Weniger weil man ein glühender Verehrer des Mannes mit der Brille wäre, sondern eher, weil man staunt, dass es so eine Sendung wie diese „Nachtkultur“ überhaupt gibt. Da sitzen Menschen auf schmucklosen Holzstühlen an einem betont abgewetzten Tisch vor einem roten Vorhang, der sich heftig mit dem anders roten Teppich beißt, haben ein Glas Wasser vor sich und reden. Kein Beistelltischchen mit Alternativgetränken, kein Grünzeug – nichts, was irgendwie an Fernsehen erinnern könnte.
Am Mittwoch hieß das Thema „Blickpunkt Theater“, und während man sich noch verdutzt fragte, wann eigentlich diese „Blickpunkt“-Titel modern waren („Blickpunkt Metzgereifachgeschäft“!), hörte man Willemsen Sätze wie diesen sagen: „Das würde heißen, dass das Theater selber ein Ereignisraum sein muss, in dem soziale Kommunikation auch stattfindet unter den Mitgliedern im Publikum.“ „Ereignisraum“ klang prima. Nur das mit der „sozialen Kommunikation“ (gibt's auch asoziale?) haute nicht ganz hin. Zumindest blickte das Saalpublikum recht gelangweilt aus der Wäsche.
Nur einmal, als Autor Albert Ostermaier auf Willemsens Frage, wo denn bei den deutschen Stückeschreibern der soziale Realismus à la Sarah Kane bleibe, zurückgab, ob man jetzt etwa alle Autoren durch die Bahnhofsklos schicken solle, da hat einer laut gelacht. Aber zum Ablachen ist diese akademische Plauderrunde auch nicht gedacht. Nachdem sein Ausflug ins Infotainment („Willemsens Woche“) beim ZDF floppte, darf Willemsen seit knapp einem Jahr beim WDR radikales Kulturprogramm machen. Konsequentes Antifernsehen, hin und wieder als Selbstversuch im Zuhören ganz spannend, aber oft einfach nur öde. Aber immer voll die Härte.
Reinhard Lüke
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