Standbild: Viel Wortmüll
■ Marleneken
(Marleneken, So., 27.5., ZDF, 20.15 Uhr) Irgendwie tut das weh, das Ganze. Da sieht man eine Frau, etwa um die 50, mit ihrem Opel durch die DDR fahren. Grund des Besuches ist die Mutter, die im Sterben liegt. Typ „BRD-Frau '68“. Generation traurig-nachdenklich-erfolgreich, die jetzt endlich sentimentale Rückblenden ihrer „Geschichte“ durchläuft: Angefangen hat das in der „Kindheit in der DDR“ natürlich, poetisch mit dem Mär-erzählenden Großvater. Die Mutter -Tochter-Beziehung ist erschreckend problematisch, der Vater, ein „echtes Schwein“, ein Jude, von dem die Tochter später erfährt, daß er sich hat arisierien lassen, verläßt die Mutter und macht eine steile Karriere als Chefarzt in Berlin-West.
So - here we go - die Amis geben uns Kaugummis, wir sind eine kaputte deutsche Familie im ausgebombten Deutschland -, die echten Opfer von der Stange, wie Millionen andere auch. Klamotten, die man bekommt, werden hysterisch verbrannt, weil man die Fäden abgetrennter Naziembleme entdeckt. Vergangenheit - cut - Zukunft, wie man sie sich besser nicht zurechtlegen könnte, wenn man als ehemaliges Stasi-Mitglied seine Vergangenheit filmisch rekapitulieren müßte. Da wird vom Mauerbau über das Attentat an Kennedy bishin zur 68er -Bewegung in Berlin nichts ausgelassen an Klischees. Da wird Marleneken plötzlich Mutter. Natürlich hat der Student sie sitzenlassen, und sie muß sich durchbeißen. Da wird eine nette Fotografin plötzlich zur Terroristin. Da schießen die repressionsfreien Kinderläden wie Ho-Chi-Min-Rufe aus dem Westberliner Asphalt. Aber wen interessiert die BRD -Sozialproblematik, wenn sie in Streiflichtern erzählt wird?
Der Stoff war als zehnteilige Serie geplant und wurde schließlich auf zwei Folgen zusammengekürzt. Aber das ist noch lange kein Grund, jemandem seine Psychoanalyse aufzudrängen. Mein Gott, wie oft haben sich Kritiker schon beklagt, daß die Deutschen sich viel zu ernst (und wichtig, d. s-in) nehmen. Es geht nicht um Melodram oder Nicht-Melodram oder um ernstzunehmende Sozialkritik, wie es sie zwingend in einigen DDR-Filmen neuerdings zu sehen gibt. Der Fehler der Autorin Eva Maria Mielke war, daß sie sich einfach nicht entscheiden konnte: Jeder, der im Szenario auftaucht, kommt aus irgendeiner Schublade, zurechtgeschneiderte Dialoge haltend, resümierend, analysierend, problematisierend, tauchen sie wieder ab, ohne etwas gesagt zu haben: viel Mortmüll. Da konnte auch Regisseurin Karin Brandauer, ansonsten bekannt für sensible, stille Gesellschaftsstudien (Einstweilen wird es Mittag, Verkaufte Heimat) nicht viel retten.
Oskar Roehler
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