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■ StandbildKehl-Kopf: "Friede, Freude, Fischer"

„Friede, Freude, Fischer“, Donnerstag, 23Uhr, ARD

Einen Film über Gotthilf Fischer zu drehen, ist problematisch, da er einem nur zwei Möglichkeiten offenläßt: Kritik oder Camp. Strenggenommen bleibt sogar nur eine Möglichgkeit, denn das Kritische, Karikierende funktioniert bei ihm nicht mehr, da er die in seiner Gestalt stets vorwegnimmt. Nahezu jeder Satz, den Fischer im Interview äußert, ist an ehrfürchtiger Peinlichkeit unübertroffen. Nur, niemand lacht. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil Gotthilf Fischer die Massen, die er so liebt, durch das Singen von zwei Akkorden zum Schweigen gebracht hat.

Jene Freude, die Gotthilf nicht müde wird zu preisen, ist kein wertneutraler Affekt. Mit mehr als zwei Personen erlebte Freude ist in Deutschland nunmal kein schöner Götterfunken, sondern die Lust, anderen Völkern übel mitzuspielen. 1974, als mit seinem 2:1 in der ersten Halbzeit Gerd Müller wichtiger wurde als Rudi Dutschke, bekam die Karriere des Kehlen-Karajans den Massenkick. Der Bomber und der Kehl-Kopf der Nation wirkten Hand in Hand. Das gefüllte Olympiastadion vokalexerzierte nach Gotthilfs Taktfinger. 62.000 Paar Lungen, eine Stadionfüllung, sind Fischer heute treu, von den Sympathisanten ganz zu schweigen. Er habe, so Fischer, „nach dem Krieg den Mut gehabt, vom Volkslied zu reden“. Heute haben diesen Mut ziemlich viele. Eine gräßliche Melodie mit einem ebensolchen Refrain ertönt: Ausländer raus.

Hier liegt der Schwachpunkt von Rudolf Werners Film, der sich auf ebenso vornehme wie bei Fischer nicht angebrachte, weil wirkungslose Ironie zurückzog. Aufs Politische angesprochen, sagte Fischer nur, er würde die Leute mit seinem Gesang „ruhig“ machen. Daß das Gegenteil zumindest wahrscheinlicher ist, hätte man wenigstens als These formulieren können. Die perfiden Massen-Ornamente Fischers sind nämlich in Wahrheit parazivile Aufmärsche. Für Frieden gegenüber Ausländern singt da keiner. Bleibt also, da man ihm via Kritik nicht beikommt, nur die Möglichkeit, Fischer auf Camp-Qualitäten hin zu testen. Das monströs Überhöhte, unvergleichbar Maßlose hat er. Vielleicht sollte man zu Aktionen aufrufen, überall Fischer-Plakate aufzuhängen, ihn in jede Show einzuladen, an jeder roten Ampel Fischer-Doubles zu plazieren und statt der „Tagesschau“- Hymmne ein Fischer-Ständchen in die Wohnstuben zu pressen: Fischer, Fischer über alles! Manfred Riepe

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