■ Standbild: Macht Ruhm glücklich?
„Talk im Turm“, Sonntag, Sat.1, 22 Uhr
Wer sich Tips für eine sensationelle Karriere erhofft hatte, sah sich zunächst enttäuscht. Zwar wollte Erich Böhme von seinen Gästen wissen, wie man zu Popularität kommen könne, doch mehr als vordergründige Strategien interessierten ihn die seelischen Finessen, die hinter der Frage nach dem Prominentenglück lauern. Aufmerksam suchten Lothar de Maiziere, Wolfgang Joop, Fritz Rau (Musikmanager) und Wolf Schneider (Publizist) Antworten, die bei aller Selbstdarstellung nicht allzuviel vom Seelenleben offen legten.
Den Anfang ließ Böhme den „politischen Selbstmörder“ machen. Bescheiden gab de Maiziere Auskunft, daß ihm Bratschenspiel und Anwaltskanzlei genügten, um sich gleich darauf mit Joop konfrontiert zu sehen, der, gut gebräunt in einem Anzug von Vivian Westwood, kaum zu bremsen war. „Narziß“ nannte sich der Modemacher und hätte seine Analyse des antiken Mythos gern ausführlicher gestaltet, wenn die anderen Herren nicht so streng geguckt hätten.
Die Aufmerksamkeit von Schneider, der für „schräge Vögel“ und „tragische Figuren“ bessere Chancen am Sternenhimmel sieht, hatte Joop jedenfalls gewonnen. Wenn auch nur als Studienobjekt, das es zu demontieren galt, da doch der subtile Schlagabtausch über Depressionen und Erwartungsdruck, über Fans, Journalisten keine reizvollen neuen Erkenntnisse bot. Und Frederike von Stechow, abgesägte Marlene-Darstellerin und einzige Frau, erschien Schneider wohl nicht als ebenbürtige Gegnerin. Vorgestellt als eine, deren Ruhm vermasselt war, bevor er begonnen hatte, ließ sich die Jüngste bloß väterliche Ratschläge erteilen in der Runde, die Greta Garbos Rückzug „in der Blüte ihrer Schönheit“ für eine kluge Entscheidung hielt.
Schneider, wie Rau professioneller Beobachter und Verwalter von Berühmtheiten, brauchte also nur auf Joop zu warten, der sich in seinem Drang zu Selbstdarstellung tatsächlich in Widersprüche über Disziplin, Leistung und „wunschloses Unglücklichsein“ verwickelte. Doch just, als Schneider zupacken wollte, brach Böhme mit sanfter Stimme ab. Bevor es weh tun konnte, war die Zeit um und „Talk im Turm“ doch noch zu einer Rhetoriklektion geworden, für diejenigen, die fürderhin nach Lorbeeren gieren. Claudia Wahjudi
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