■ Standbild: ABM-Fernsehen
„Goldmillion“, Samstag, 20.15 Uhr, ZDF
Er paßt gut ins Konzept, der Berliner Hundebesitzer, der als erster die „Goldmillion“ des ZDF gewann. Maulfaul und ungläubig nahm er die unecht glitzernden Goldbarren entgegen und wollte partout nicht glauben, daß er tatsächlich zu einem Teil dieser unglaublichen Show geworden war: „Ich kann's nicht fassen“, soll er schließlich off-records gestöhnt haben, „ich bin doch ein Sozialfall.“
Aber genau für solche Fälle ist die „Goldmillion“ letztlich gemacht: Da darf ein arbeitsloser Moderator ein überkommenes Showkonzept aus der Schweiz zu neuem Glanz führen, ein auch nicht mehr ganz frischer Fritz Egner zur Prime time durch Sachsen reisen und den Ostlern ein Auto der gehobenen Mittelklasse andrehen, das schon lange nicht mehr zum drohenden Verkehrsinfarkt paßt. All das dient dem Sorgenkind des ZDF, der Unterhaltungsabteilung – auch sie schon lange ein Sozialfall.
Als das Zweite den heruntergewirtschafteten „Großen Preis“ abgewickelt hatte, blieb den Mainzern eine Altlast: Die Aktion Sorgenkind, weltweit die erfolgreichste Soziallotterie, brauchte einen neuen Werbeträger. In aller Eile entschied man sich für Kurz Felix' Showkonzept aus den 80er Jahren, gab der alten Idee einen neuen Namen, dem Wettverlierer Lippert einen Hund und vergaß dabei, daß sich selbst die TV-Unterhaltung in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt hat: Mit Spielen, die den Kandidaten zumuten, sich über eine wackelige Seilbrücke zu hangeln, machte Mike Krügers „Vier gegen Willi“ schon vor zehn Jahren Quote. Die Idee, zwischen den Goldschatz eine ekelige Schlange zu plazieren, erfand „Wünsch Dir was“ gar Ende der 60er. Und Robert Lembkes „Was bin ich“-Hündchen ist jetzt auch schon über 40 Jahre tot.
Wer mit solchen Spielideen heute noch am Samstag abend die Quoten knacken will, hofft letztlich auf die zunehmende Vergreisung der Republik. Und so paßte es, daß ausgerechnet der sichtlich gealterte Wim Thoelke als Glücksfee die goldene Freitreppe herunterstolperte, um den dauerlosbewehrten Rentnern das späte Glück vom großen Geld zu verschaffen. Er mußte dafür in eine gläserne Pyramide steigen, in der die vielen Lose im Gebläsewind flatterten. Gott sei Dank flog ihm dabei wenigstens nicht das Toupet vom Kopf – denn selbst diese Peinlichkeit wäre im Fernsehen nicht neu gewesen. Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen