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■ StandbildPußta-Mädel goes Lindenstraße

„Ihre Exzellenz, die Botschafterin“, Do., 19.25 Uhr, ZDF

Seien wir ehrlich, wir lieben sie ja, all die schönen Stätten („Mikrokosmen“ sagen Studierte dazu), mit denen die Sendeanstalten quer durchs Land ihr Werberahmenprogramm bestücken, um so den wohlverdienten Feierabend zu verzuckern. Seien es nun Traumkutter, Kliniken, Schulen oder Pfarr- und Förstershäuser, da geht's meist putzig her, dramatisch bisweilen zu und aus immer gut. Und als die Mainzelmännchen in der letzten Woche Gaby Dohm als Botschafterin ins schöne Budapest entsandten, versprach das Ganze ja auch ein prima Neuaufguß des Immergleichen zu werden.

Auch der Titel der zweiten Episode – „Romeo und Julia“ – verhieß weniger Dramatik denn Herziges. Lustig flatterte das schwarz-rot-güldene Fähnlein (wird die Serie womöglich vom Kinkel, Klaus gesponsert?) überm Botschaftssitz im Ungarnland, und Gaby Dohm strahlte, als habe es in der Schwarzwaldklinik wieder mal Zwillinge gehagelt.

Doch als schon nach wenigen Minuten von einem abendlichen Empfang die Rede war, zu dem Unsere Exzellenz auch eine Bosnierin und einen Serben geladen hatte, mußte einem Problemorientiertes à la „Lindenstraße“ schwanen. Zwar erklärte Frau Botschafterin noch heiter: „Ich rühr' grad noch eine Bechamel- Sauce an“, aber was folgte, war ein eklantanter Mißgriff in die Rezeptur der Seriensoßen: der Krieg light, nicht so blutig, nicht so grausam und – vor allem – bei weitem nicht so unverständlich wie reale.

Denn die Bosnierin und der Serbe waren sich nicht nur wegen der politischen Lage spinnefeind, sondern in erster Linie, weil sich des einen Töchterlein in den anderen Sohnemann verknallt hatte. Und die beiden Teenager hatten sich auch noch auf und davon gemacht und waren überdies zum gemeinsamen Liebestod bereit, um dem Frieden ein Zeichen zu geben. Doch damit der Schamlosigkeiten nicht genug. Nachdem das Drama happy geendet, mußten Bosnierin und Serbe auch noch traut im Garten auf- und abmarschieren und ließ das Drehbuch Exzellenz schmachten: „Sie sprechen wieder miteinander. Das wäre doch immerhin ein Anfang.“

Nein, derartige Geschmacklosigkeiten sind eindeutig das Ende der von uns so geliebten ZDF- Schmonzetten. Soll sich Frau Botschafterin doch bitteschön um andere Fragen kümmern. Etwa: Ist der Ungar noch so lustig wie ehedem? Geigt er noch so viel, und hüten die Frauen die Gänse noch immer barfuß? Ansonsten, sofort abberufen, die Dame! Reinhard Lüke

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