Standbild: Vergangene Ruhmestaten
■ "Klimbim"
„Klimbim“, Samstag, 20.15 Uhr, West 3
Unsere Letztgeborenen glauben ja gar nicht, was das für Zeiten waren damals. Stets sorgten sich die Herren des Rundfunks um die Zumutbarkeit ihrer Programme und tagten unausgesetzt, deren Ausgewogenheit zu optimieren. Regelmäßig wurden brisante TV-Spiele schneller aus dem Programm geschossen, als der Rundfunkrat „pfui“ sagen konnte. Unterdessen behauptete die Stuyvesant-Generation noch immer steif und fest, bereits vieles verändert zu haben und weiterhin ihren Weg gehen zu wollen. Der Africola-Rausch war noch nicht ganz abgeklungen, da kam Michael Pfleghar aus Amerika zurück, das deutsche Volk Entertainment zu lehren.
Am 24.7.1973 hatte „Klimbim“ Premiere, eine sich vollends dem Blödsinn ergebende Sendereihe, die seinerzeit die Nation in Befürworter und Gegner spaltete und enragierte Zuschauer unter anderem Ingrid Steegers vergilbte Zähne bekritteln ließ. Im „freudlosen deutschen Unterhaltungsdschungel“ wollte Pfleghar „was zum Lachen und Gucken“ ansiedeln. Er tat dies sehr gewissenhaft, studierte ausländische Vorbilder und beschäftigte pro Sendung bis zu acht Autoren, eine Praxis, die sich noch immer nicht recht durchgesetzt hat – in Deutschland schreibt ein einzelner Autor dreizehn Folgen einer Comedy- Reihe, in den USA ist das Verhältnis quasi umgekehrt.
An den Beginn der Show stellte Pfleghar Ausschnitte aus frühen Slapstick-Filmen, es folgte ein Varieté-Programm aus Kalauern, Sketchen, Running Gags und Gastauftritten renommierter Stars. Eingebunden in das Ganze die „Klimbims“, eine Travestie auf das Genre Familienserie, das in Großbritannien und den USA schon einige Jahre zuvor zum Gegenstand parodierender Sitcoms gemacht worden war.
Eigentümlicherweise blieb Pfleghar mit seinen Bemühungen weithin allein und der Fernsehhumor auf dem betulichen Niveau von „Sketchup“ und „Harald und Eddie“. Erst „RTL Samstag Nacht“ knüpfte an Pfleghars Pionierleistung an. Der ARD bleibt nichts anderes, als durch Wiederholung auf vergangene Ruhmestaten – und damit auch auf ein eklatantes Versäumnis – zu verweisen. Die HeldInnen von einst arbeiten unterdessen für die Konkurrenz – soeben hat RTL drei Fünftel der „Klimbim“-Originalbesetzung für eine neue Sitcom gebucht. Harald Keller
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