■ Standbild: Schnulz & Sühne
„Jede Menge Leben“, erste Folge, Dienstag, 20.15 Uhr, ZDF
Ein konziser Establishment- shot, und schon geht's ran an die im ersten Moment noch freudestrahlenden Gesichter. Die Soap-Dramaturgie fackelt nicht lange, sondern tunkt den Betrachter sogleich hinein ins tosende Leben. Wir befinden uns in Köln, der Stadt also, in der sich TV-generierte Schicksalswege und Handlungsstränge gleich dutzendweise kreuzen. Gerade feiert Frau Berger ihren vierzigsten Geburtstag, als die Liebelei ihres Angetrauten mit der Freundin des Sohnes ans Licht kommt, womit die Feier, wenig überraschend, ein vorschnelles Ende nimmt.
Fortan herrscht dicke Luft in der idyllisch gelegenen Neureichenkartause. Selbige muß dann noch vor Ablauf der Sendezeit verpachtet werden, weil der lüsterne Gatte das gemeinsame Guthaben zwecks Boutiquenerwerbs an die blonde Gespielin verborgt hat. Bleiben noch Sohn eins, der, von den Annäherungsversuchen seiner beiden liebestollen WG-Mitbewohnerinnen entnervt, gleichfalls Muttis neues Penthouse bezieht, und Sohn zwei, der über den Fahrradlenker kobolzt und gesundgepflegt werden muß. Damit hätten wir den Einstieg in (vorerst) 146 Episoden, die uns das ZDF fürderhin dienstags bis donnerstags (jeweils ca. 18.30 Uhr) zu verabreichen gedenkt.
Nichts gegen ein gediegenes Serienmelodram mit kathartischen Gefühlserregungen. Aber im vorliegenden Falle stört die operettenhafte Großgestik der älteren Mitwirkenden schon über alle Maßen. Auch schienen die Beleuchter gerade mal wieder auf Urlaub – allein aufnahmetechnisch hätte man Besseres erwarten dürfen, da doch dem Produktionsteam ein 1.000 Quadratmeter großes Atelier maßgeschneidert wurde.
„Das möchte ich ja noch nicht einmal in einem Kitschroman lesen“, deklamiert die leidgeprüfte Dorothee Berger. Fürwahr wirken die fadenscheinigen Krisensituationen schon arg konstruiert, derweil die Dialoge knarren, daß scheint's selbst dem gemischtgeschlechtlichen Autorenpaar Skrupel erwuchsen, weshalb es die flatterhafte Sue dann sicherheitshalber die freimütigen Worte „Gott, das klingt ja wirklich total trivial“ aufsagen ließ.
Auch die Essenz des Ganzen war dem Sprechtext zu entnehmen: „Die Weiber, die taugen halt alle nix. Genausowenig wie die Männer.“ So isses, und so wird es bleiben – mindestens 146 Folgen lang. Harald Keller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen